Kreativität und Daten statt Gitarren und Drums

Steffen Drews
Steffen Drews

Steffen Drews ist Mediengestalter und E-Commerce-Student an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt. Seit 2011 betreut er mit ubercommerce.de Kunden im Bereich Multichannel-Commerce und Online-Marketing.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden
Dominik Quambusch
Dominik Quambusch

Dominik Quambusch ist E-Commerce-Student an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, zudem ein passionierter Online-Marketer und Berater für alle Fragen, die das Thema SEO und SEA betreffen.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

Am 21. Februar fand zum sechsten Mal die Veranstaltung Online Marketing Rockstars in Hamburg statt. Mit 2.000 Besuchern und über 20 nationalen und internationalen Speakern bot die Mischung aus Konferenz und Festival im Hamburger Stage Theater perfekte Voraussetzungen für eine Fülle an Take-aways, von denen Website Boosting eine Auswahl für Sie zusammengestellt hat.  

Kein Geringerer als der Gründer von Huffington Post (www.huffingtonpost.com) und www.buzzfeed.com, Jonah Peretti, eröffnete die Vortragsreihe und gab dabei besonders spannende und tiefe Einblicke in den Themenbereich Social Media. Seiner Aussage zufolge ist die Menge an Menschen, die Social-Media-Content konsumieren, während sie zum Beispiel gelangweilt an ihrem Arbeitsplatz sitzen, mittlerweile größer als die Anzahl der Zuschauer des Fernsehsenders BBC.

„Social Media schlägt mittlerweile sogar den Fernsehsender BBC.“

Ganze 75 % der Besucher auf Buzzfeed kommen aus dem Social Web, dabei sind über die Hälfte der Nutzer zwischen 18 und 34 Jahre alt und konsumieren die Inhalte mit ihren Mobilgeräten. Dies ist laut Jonah deshalb so wichtig zu wissen, da genau solche Erkenntnisse entscheidend bei der Erstellung und Verbreitung des Contents sind.

Dabei berechnet Buzzfeed mit einem eigenen Tool vor dem eigentlichen Veröffentlichen die Wahrscheinlichkeit, wo und wie häufig der Content geteilt werden wird. Um dies zu bewerkstelligen, wird zunächst einem kleinen Teil der Nutzer dieser Inhalt präsentiert und dann verfolgt, welche Plattformen den größten Social Lift erzeugen. Auch nach dem eigentlichen Veröffentlichen analysiert Buzzfeed stetig weiter die Interaktion mit dem Content. Ein Weg, den Grad des Sharings weiter zu erhöhen, ist eine Veränderung des Layouts. Hierzu werden die Sharing-Buttons in ihrer Reihenfolge getauscht, sodass die Buttons der Plattform, auf welcher der Content am meisten geteilt wurde, als erste in der Reihe auftauchen. Dasselbe Verfahren wird auch angewendet, wenn man über diese Plattform zu dem Artikel gelangt ist. Hierdurch erhöht sich die Identifikation der Nutzer mit dem Inhalt.

Zu guter Letzt gab es ein paar wesentliche Key-Take-aways von Jonah:

  • Es gehören zum Social-Publishing immer drei Dinge: Kreativität, Wissenschaft und Geschäft.
  • Content wird je nach Plattform unterschiedlich von den Nutzern angenommen. Ziel ist es, zu verstehen, wie dies funktioniert.
  • Social Content birgt riesige Chancen für Unternehmen, zu werben. Aber auf clevere Art und Weise und nicht mit Bannerwerbung.
  • Dinge, von denen niemand gedacht hätte, dass sie online stattfinden würden, sind heute Realität. Jonahs Ansicht nach sind die Online-Publishing-Medien heute auf Augenhöhe mit den traditionellen Medien.

In die gleiche Kerbe schlug auch Ben Huh, Gründer des Cheezburger Network (www.cheezburger.com). Der Social-Media-Experte wies darauf hin, dass es in der heutigen Zeit sehr wichtig ist, neben dem Erstellen von gutem Content diesen auch in dem richtigen Format für das richtige Gerät bereitzustellen. Als Beispiel nannte er den großen Erfolg von Vine-Videos (www.vine.co), welche sich mit ihrer kurzweiligen und einfachen Art perfekt auf Smartphones ausgerichtet haben. Es gehe darum zu verstehen, wie die Menschen ein Gerät benutzen, fügte er hinzu. Native Formate zu nutzen, bedeutet für ihn: eine skalierbare Methode, Inhalte auf neuen Geräten zu präsentieren, indem der Inhalt von den einzigartigen Funktionen dieses Geräts profitiert. Laut einer Statistik werde die Mediennutzung schon 2020 bei 100 % liegen. Das heißt: Sie werden den gesamten Zeitraum, in dem Sie nicht schlafen, in einen Bildschirm starren. Entsprechend darauf ausgerichtet muss der Inhalt sein.

„Sie werden den gesamten Zeitraum, in dem Sie nicht schlafen, in einen Bildschirm starren!“ – Ben Huh

Er ging auch auf unterschiedliche Arten von Content ein und wie erfolgreich diese sein können. Besonders stellte er dabei den Real-Time-Content heraus, welcher große Erfolgschancen bietet, aber auch sehr große Risiken birgt. Schnell kann es dazu kommen, dass der gut gemeinte Artikel einen „Shitstorm“ erntet. Einige Konzerne können hiervon bereits ein Lied singen. Dennoch sollte man Risiken eingehen, ausgefallene Dinge erzählen und diese auf das Wesentliche eindampfen, um den größtmöglichen „Buzz“ zu erzeugen.

2014 – das Real-Time-Jahr?

Christoph Schäfer von Performance Media machte auf einige interessante Veränderungen im Display-Advertising-Markt aufmerksam. Dabei stellte er von Beginn an klar, welches die Kernprobleme von Display-Ads bisher waren: Zu hoher Cost per Order und dass eigentlich die Display-Schiene seiner Meinung nach bis jetzt immer nur funktionierte, um ein gewisses Grundrauschen zu erzeugen. Das alles wird sich jetzt nach Schäfer ändern. Wie kann das erreicht werden? Durch neue Möglichkeiten des Targeting, Re-Targeting und Prospectings (mehr über die Zielgruppen lernen, um sie damit genauer einteilen zu können). Eines seiner Beispiele beschrieb, die Zielgruppen über Facebook einzugrenzen, auszuprobieren, was bei diesen funktioniert, und dann das Ganze nach oben zu skalieren. Dadurch schrumpft selbstverständlich die Häufigkeit und Menge, mit der ein Banner angezeigt wird, und gleichzeitig erhöht sich der Mediapreis stark, es lohnt sich aber seiner Ansicht nach dennoch, denn es kann eine Halbierung des CPO erreicht werden.

Mittels neuer Tools ist eine granularere Mediaplanung möglich. Diese sollte nach Möglichkeit automatisiert ablaufen. Seine Voraussage für die Zukunft von Display-Advertising in diesem Zusammenhang war ganz klar: TV wird Display werden. Das heißt im Klartext: In Zukunft werden Werbeplätze im Fernsehen der Zukunft (IP-TV) gezielt geschaltet werden können, abhängig von den Interessen des Nutzers. Sein heißester Tipp zum momentanen Trend im Display-Advertising: Die besten CPOs gibt es im Mobilbereich zu holen, momentan funktionieren dort zur Zeit Vertragsprodukte, allen voran Handyverträge.

Zum Thema Targeting hatte auch Thomas Brandhoff von der Firma Sociomantic einiges zu sagen. Er beschäftigt sich seit langer Zeit mit dem Thema Real-Time-Bidding. Dafür rät er, Demand Side Platforms (DSP) zu nutzen, um in den vollen Genuss aller Möglichkeiten zu kommen. Die DSP übernimmt dabei die Abwicklung von vorher eingestellten Geboten für Banner und Preisen für die Daten, welche zwischen den Advertisern und Publishern ausgetauscht werden. Tatsache ist: Der Advertiser hat die besten Daten, denn er kennt seine Kunden und all ihre Aktionen auf- und mit seiner Website. Diese Daten sind sehr wertvoll und können dazu beitragen, dass sich Display-Advertising wie AdWords gestalten lässt, basierend auf z. B. Customer Lifetime Value in Kombination mit dem effective Cost per Order. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und sagte, es werde in Zukunft so stark segmentiert werden können, bis am Ende nur noch ein einzelner Nutzer pro Segment übrig bliebe.

„Kommen wir dem Traum vom One-to-One-Marketing näher?“

Dies würde Online-Marketer in die Lage versetzen, das Mediabudget für jeden einzelnen Nutzer einzuteilen. Parallel dazu sollte im Idealfall auch das Erlebnis, die Customer Journey, für jeden Kunden individuell gestaltet werden und dieser dabei über alle Kanäle hinweg getrackt werden. Personalisierung bedeutet eine Maximierung der Budgeteffizienz. Dies verursacht natürlich eine gigantische Menge an Daten. Damit kam er auch schon zu seinem Schlusswort und dem Hinweis des Vortrags: Marketing wird in Zukunft nicht mehr nur durch Kreativität entschieden, sondern es gewinnt derjenige, der die schnellere „Maschine“ und die bessere Datenbank hat. Zu diesem Hintergrund stehen große Player wie Oracle und SAP mit ihren In-Memory-Datenbank-Technologien bereits in den Startlöchern.

Abschließen durfte die Reihe der mehr als 20 Vorträge John Batelle, seines Zeichens Gründer des bekannten Magazins Wired. Er rief zum Nachdenken auf und machte deutlich: Alles wird elektrifiziert werden und hat demnächst eine IP-Adresse (eine Anspielung auf das Internet der Dinge). Er warf die Frage in den Raum, was das nächste Interface sein könnte, um mit all diesen Dingen zu kommunizieren, nach der Kommandozeile, Windows und der Internetsuche. Es ergeben sich zukünftig große Chancen, da wirklich alles eine Aktion auslösen kann und somit eine Datenspur hinterlässt – sei es der Gang zum Arzt oder das Regeln der Temperatur an einem Thermostat der Wohnzimmerwand. Diese Informationen zu sammeln und nutzbar zu machen, ist eine große Herausforderung für die Marketing-Welt, aber ebenso eine neue Möglichkeit, Kreativität auf eine neue Ebene zu bringen. Denn egal, wie viele Daten und Schnittstellen es auch geben wird: „Kreativität wird niemals zu schlagen sein“, so Batelle, „denn jede Idee entsteht aus Kreativität.“