Alles Content-Marketing oder was?

Asokan Nirmalarajah
Asokan Nirmalarajah

Dr. Asokan Nirmalarajah ist Inbound-Marketing-Manager bei der linkbird Gmbh in Berlin, die das gleichnamige, mehrfach preisgekrönte Tool für SEO-Management, Linkbuilding und Content-Marketing entwickelt. Er hat an der Universität zu Köln in der amerikanischen Film- und Literaturwissenschaft promoviert und arbeitet seit einigen Jahren im Online-Marketing. Zu seinen thematischen Steckenpferden zählen SEO, Linkbuilding, Inbound-Marketing und Content-Marketing.

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In der modernen Quantenphysik spricht man von der Heisenberg‘schen Unschärferelation. Im Alltagsverständnis kennt man es auch als den Beobachtereffekt. Die zugrunde liegende Idee ist, dass sich ein Gegenstand durch seine Beobachtung verändert. Je penibler man es betrachtet, desto weniger präzise Aussagen werden darüber möglich. Im SEO war 2013 dieser Gegenstand Content-Marketing. Als Wort und Unwort des Jahres hat sich der fast zu Tode sezierte Hype-Begriff trotz skeptischer Einwürfe, kritischer Richtigstellungen und schließlich verhaltener Akzeptanz im modernen Marketing-Mix etabliert. Asokan Nirmalarajah geht im Folgenden einigen grundlegenden Fragen nach, die wenige SEOs bisher stellten, aber viele vielleicht gern einmal beantwortet hätten.

Einführendes zum Warmwerden

Warum heißt Content-Marketing eigentlich Content-Marketing? – In seinem jüngsten Bestseller zum Thema, in „Epic Content Marketing“ (McGraw-Hill 2013) bringt es der selbst ernannte „Content-Marketing-Evangelist“ Joe Pulizzi, Gründer und Geschäftsführer des Content-Marketing-Institutes (contentmarketinginstitute.com), auf beachtliche 17 Synonyme für den Begriff, den er selbst seit 2001 verwendet und den international salonfähiger zu machen, er nicht müde wird. Ob nun Brand Storytelling, Corporate Journalism oder Customer Publishing, letztlich vermag für den begeisterungsfähigen US-Amerikaner nur Content-Marketing den Nagel auf den sprichwörtlichen Kopf zu treffen (siehe hierzu auch ein jüngeres Interview mit Pulizzi: www.linkbird.com/de/joe-pulizzi-interview). Das ist auch die Bilanz vieler hiesiger Online-Marketing-Experten und professioneller Suchmaschinenoptimierer, die sich über das letzte Jahr hinweg sowohl mit dem Begriff als auch mit den darunter gefassten Ideen und Maßnahmen eingehender beschäftigt haben.

Dabei ist nicht wenigen aufgefallen, dass Content-Marketing eigentlich nur etwas zugespitzt ausformuliert, was im Marketing schon immer betrieben wurde: Content-Formate als Vehikel nutzen, um mit der Zielgruppe zu kommunizieren. Der feine Unterschied besteht nun darin, dass es keine einseitige Kommunikation mehr vom Unternehmen zum Kunden über die Marketingagentur xyz ist, sondern ein reger, multidirektionaler Austausch übers Internet über die für das Unternehmen und seine Zielgruppe gleichermaßen relevanten Themen, innerhalb derer sich das Unternehmen als Autorität und Anlaufstelle für fachliche Fragen zu positionieren sucht – eben mittels diskussionswürdigen, von Fachexperten erstellten Contents.

Ungeachtet seiner inflationären Verwendung, die immer wieder die Disziplin ins Lächerliche zu ziehen droht, macht es also durchaus Sinn, den populären englischen Begriff Content-Marketing zu verwenden, um von der zielgruppengerichteten Vermarktung über Inhalte und von Inhalten zu sprechen. Will man besonders kleinlich sein, müsste man in der Praxis sogar mal von „Content-Marketing“, mal vom „Marketing-Content“ sprechen. Denn zum einen fasst der bekannte Terminus technicus alle Strategien und Praktiken zusammen, die dazu dienen, um mehrwertigen Content als Aushängeschild für die damit beworbene Marke zu instrumentalisieren. Und zum anderen wird er auch dazu verwendet, um die Bewerbung des Contents selbst als attraktiven Zeitfüller zu bezeichnen, sei dieser nun informativer, lehrreicher, unterhaltsamer oder – und das wird oft unterschätzt – auch mal nur dekorativer Art.

Im SEO erfährt das seine Wirkungsmacht unabhängig vom verwendeten Kommunikationskanal und -format entfaltende Content-Marketing nun eine besondere Fokussierung auf die Generierung von natürlichem Traffic auf der Unternehmenswebseite, von genuin an der Themenwelt des Unternehmens und seiner Produkte interessierten Leads und damit natürlich auch von Sales zur Steigerung des Umsatzes. Da überrascht es also kaum, dass sich Content-Marketing seit den letzten Monaten – nach einer über fünf Jahre stetig zunehmenden Popularisierung des Begriffs im digitalen Marketing – auf dem Zenit seiner Nachfrage befindet (http://einfach.st/gtren2).

Weiterführendes zur Erwägung

Wie kann man ernsthaft von Nachhaltigkeit im SEO sprechen? – Im Internet regiere wie schon in allen davor gefeierten und verfluchten Medien, so ein häufig in die Diskussion geworfener Spruch, der Content. Das ist heute eine Realität, die keiner Bestätigung mehr von Vordenkern wie Bill Gates bedarf, der erstmals 1996 öffentlich in diese Richtung dachte (www.craigbailey.net/content-is-king-by-bill-gates). Auf Skepsis stößt man jedoch in einer Branche, die sich mit schöner Regelmäßigkeit über ihre eigene Auflösung Gedanken macht („SEO ist tot!“ – „SEO lebt!“) und die vorherrschenden Maßnahmen und Theorien fortlaufend zerlegt, wenn man die Vorstellung von Nachhaltigkeit durch Content-Marketing vorbringt. Im SEO klang das noch vor Kurzem wie ein Scherz ohne Pointe. Doch im Schatten einschneidender Algorithmus-Updates des Suchmaschinengiganten Google streben auch eher technisch als sprachlich versierte SEOs nicht mehr nur schnelle, aber kurzlebige Rankingerfolge an, sondern die Konsolidierung organisch erzielter Toprankings über nachhaltig relevante Inhalte.

„SEO ist tot!“ – „SEO lebt!“

Hier sind dann auf einmal die auf Nachfrage abgestimmte Erstellung hochwertiger Inhalte und deren Vermarktung notwendig – mit dem Ziel, eine möglichst wirkmächtige Zahl qualitativer Verlinkungen aufzubauen, um die guten Positionen zu den nachgefragten Keywords in den Suchmaschinen gewinnen und halten zu können. Hiermit wäre auch das Kernkonzept hinter dem Suchalgorithmus von Google endgültig validiert: Je populärer ein Content ist, je mehr er eben von den Interessenten verlinkt und dadurch im Internet geteilt wird, desto höher das organische Ranking der Landingpage, auf der er angeboten wird. Das erfordert ein Umdenken weg von Aggression hin zur Kooperation. Es geht dann nicht mehr darum, die Zielgruppe zum Produkt zu drängen (Push-Marketing), sondern ihre Aufmerksamkeit über die Bereitstellung ansprechender Inhalte anzulocken (Pull-Marketing oder auch Inbound-Marketing), damit sie in einen produktiven Dialog mit dem Unternehmen treten.

Warum führt im SEO langfristig kein Weg am Content-Marketing vorbei? – Die Turbulenzen, in die die von Grund auf nicht sonderlich stabile SEO-Branche im richtungsweisenden Jahr 2013 geworfen wurde, sind nicht allein den Suchalgorithmen-Updates von Google geschuldet. Der Paradigmenwechsel weg von z. B. keywordbasiertem Linkbuilding hin zum contentbasierten Linkaufbau über avancierte Content-Seeding-Maßnahmen zeichnet sich bereits seit einigen Jahren ab und wird durch Maßnahmen wie etwa die zunehmende Verschlüsselung der Quellen für organischen Traffic in Google Analytics nur noch mehr beschleunigt. Wird man sich zudem bewusst, dass langfristig stabile Toprankings nur durch eine kontinuierliche Befriedigung der Content-Wünsche der Internetuser möglich sind, dann ist klar, dass man nicht mehr nur wie einst die eigene Webseite für die Suchmaschine, sondern auch seine Inhalte für die Zielgruppe optimieren sollte. Dabei ist die Konkurrenz, vor allem auch aufgrund der unüberschaubaren Masse an nutzergenerierten Inhalten via Social Media und den heute vielfältigen Distributionswegen, Zugangspunkten und Medienträgern, die es zu besetzen gilt, enorm. In Zukunft sind die erfolgreichen Suchmaschinenoptimierer diejenigen, die als Gewinner im Content-Seeding-Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe hervorgehen. Den Ausgangspunkt hierfür bildet eine möglichst holistische Content-Strategie.

Empfehlenswertes zum Ausprobieren

Wie und worauf wirken sich Content-Strategien konkret aus? – Eine Content-Strategie wirkt sich im besten Fall auf mehrere Leistungskennzahlen (KPI = Key Performance Indicators) im modernen Online-Marketing zugleich aus. Analog zum Content-Marketing in den analogen Marketing-Branchen hat eine effektive digitale Content-Strategie das Ziel, die Aufmerksamkeit für den Brand so zu steigern, dass die Zielgruppe langfristig gezielt nach dem Content-Angebot des Brands sucht, ihn abonniert, regelmäßig weiterempfiehlt und damit zur so bedeutsamen Reichweite beiträgt. Für die sozialen Netzwerke im Internet ist empfehlenswerter, teilenswerter Content der Motor, der den Austausch zwischen den Nutzern immer weiter inspiriert und am Leben erhält. Je mehr Social-Media-Nutzer sich über Likes, Shares, Tweets, G+s usw. an dieser Konversation über den Content beteiligen, umso mehr Social Signals sendet der Content an die Suchmaschine. Weitere wichtige Indikatoren für den Erfolg einer Kampagne sind die Anzahl und Qualität der Backlinks sowie die Rankings des Contents für Short- und Longtail-Keywords. Die größte Aussagekraft haben schließlich der organische Traffic und die darüber gesteigerten Leads und Sales.

Was passiert mit dem Content während einer Content-Kampagne? – Eine Content-Kampagne, das muss vorweg festgehalten werden, hat zwar einen Anfang, aber kein Ende. Schließlich ist die Idee hinter der Erstellung, Bereitstellung und Vermarktung von Inhalten die, dass sich der Aufwand, den man mit den Ressourcen Zeit, Geld und Muße hineinsteckt, langfristig auszahlt. Mit anderen Worten: Guter Content bleibt gut, relevant und hilfreich, selbst wenn er etwas an Aktualität einbüßen sollte. Um dies zu erreichen, ist die Planung und Zieldefinition bei einer Content-Kampagne sowohl der wichtigste als auch der schwierigste Schritt. Um hochwertige Backlinks und gewinnbringende Rankings im angestrebten Themenumfeld aufzubauen, müssen vorab grundlegende Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln geklärt werden wie etwa …

… aus Content-Sicht:

  • Wer ist die Zielgruppe des Contents? Wer soll ihn später verlinken und weiterverbreiten?
  • Ist der Content interessant, problemlösend, bildend, unterhaltsam?
  • Was sind die Qualitätsansprüche des Contents, wie garantiert man seine Langlebigkeit?
  • Was soll der Content kurzfristig, aber auch langfristig bezwecken?

… aus SEO-Sicht:

  • Zu welchen Keywords will man mit seinem Content ranken, besteht eine Nachfrage zu dem Thema?
  • Von welchen Seiten und Multiplikatoren aus dem Themenumfeld muss man Links generieren, um als relevante Informationsquelle wahrgenommen zu werden?
  • In welchen Kanälen kann man den Content kontinuierlich recyceln?
  • Wie kann man, auf der Kampagne aufbauend, die grundlegende Story weiterspinnen?

Wichtig hierbei ist vor allem eine kluge Ausrichtung der vorhandenen Content-Formate auf ihre individuelle Funktion in der Gesamtstrategie. Ob nun als attraktive Teaser, um die Zielgruppe anzulocken, als effektive Seeding-Vehikel oder als umfassendere Informationen bereitstellende „Content-Ware“ zur Leadgenerierung, die korrekte Instrumentalisierung der Kommunikationswege entscheidet letztlich über den Erfolg.

Was kann man mit dem eigenen Content noch erzählen, was nicht schon erzählt wurde? – Der kollektive Aufschrei im SEO über die Duplicate-Content-Abstrafungen von Google hat vor einigen Jahren die Idee von Unique Content, also die Notwendigkeit von einzigartigen, originellen Inhalten im digitalen Marketing en vogue gemacht. Darum wird auch in der SEO-Branche unermüdlich an Fachbeiträgen für die eigene und für fremde Seiten geschrieben und publiziert, selbst wenn einem manchmal die Themen, Metaphern und Synonyme ausgehen und man sich dabei ertappt, alte Texte in neuem Gewand zu präsentieren, etwa mit einem hübschen neuen Aufhänger. Der Inhalt ist derselbe, nur die Verpackung ist neu. Das Überangebot an Content im Internet macht es schwierig, etwas Neues zu erzählen. Drum wird es auch hier, wie schon in älteren Medienformen wie dem Buch, dem Radio und dem Film, umso wichtiger, wie man sich zu einem Thema äußert, neben dem, was man zu einem Thema mitzuteilen hat.

Man muss sich bei der Content-Erstellung im Vorfeld bewusst sein, dass es fast zu allen Themen, die man behandeln möchte, bereits etwas gibt. Die Kenntnis dieses bestehenden Korpus an Texten, Bildern, Videos usw. bildet die Grundlage für eine weitere individuelle, bestenfalls originelle Auseinandersetzung mit dem Thema. Denn entscheidend ist nicht so sehr der Gegenstand als vielmehr die einzigartige Perspektive, die man darauf wirft und worüber man sich profiliert. Deshalb ist es im Content-Marketing auch so wichtig, wie man seine Story gestaltet, wie man die Zielgruppe anspricht, wie souverän und smart man sie durch die bestehende Themenwelt führt.

Die Content-Recherche – nicht nur im Internet via themennahen Webseiten, Foren, Blogs etc., sondern auch in der Fachliteratur, im Austausch mit den eigenen Mitarbeitern, mit anderen Koryphäen der Zunft, über Kundenumfragen usw. – ist entscheidend in diesem Prozess, um sich selbst hinreichend über das Thema zu informieren und daraufhin als belesener Experte eine individuelle Stellung zum Thema zu beziehen. Um stets auf dem aktuellen Stand über die Bewegungen in der Branche zu bleiben, um Trends zu antizipieren und an der Diskussion teilzunehmen, empfehlen sich zahlreiche Recherchemethoden von etwa Google-Parameter-Befehlseingaben, Google-Trends-Abfragen, Google Suggest, Abonnement von RSS-Feeds, Influencer und Magazine aus dem Themenbereich auf Twitter verfolgen usw.

Einige holistisch orientierte SEO-Management-Tools bieten hierfür die Möglichkeit an, diese Koordination direkt über das interne Kontaktmanagement-System abzubilden. So ist man stets auf dem Laufenden darüber, welche Themen für welche Partner gerade relevant sind und welche Link- bzw. Seedingquelle man nach welchen Themen und Interessen kategorisieren sollte.

Wie gewährleistet man qualitativen Content über Zeit? – Einst der Traumberuf vieler ambitionierter Schreiberlinge, sind die Zukunftsperspektiven des Journalisten heute mehr denn je gefährdet durch die rapide voranschreitende Digitalisierung der Medienlandschaft. Der Rückgang der Zahl fest angestellter Journalisten und die Zunahme der Zahl freier, aber schlecht bezahlter Autoren sind die Zeichen der Zeit. Heute spricht man – nicht zuletzt angeheizt von dem Trend im Internet hin zu Umsatz förderndem Content – lieber von pünktlichen, produktiven Content-Lieferanten. Und als solche werden sie auch von immer mehr hiesigen Inhouse-SEO-Teams und SEO-Agenturen umworben, die ihre SEO-Redaktionen nicht mehr nur mit schreibwilligen Studenten, sondern mit waschechten Content-Marketern aufstocken wollen.

Während Inbound-Marketing bzw. Content-Marketing-Manager in den USA bereits etablierte Berufsbilder sind, ist die Professionalisierung in diesem Bereich hierzulande aber noch im Entstehen. Ausgebildete Content-Manager sind eine Rarität, weshalb sich sprachgewandte Geisteswissenschaftler und Journalisten, die diese Laufbahn einschlagen, immer größerer Beliebtheit erfreuen. Was diese allmählich zu Marketingexperten heranreifenden Autoren mit sich bringen, ist dabei eine Arbeitsorganisation und ein Anspruch an Texte, die einer klassischen Redaktion gleichkommen und hochwertigen Content über Zeit garantieren.

Abschließendes zum Nachdenken

Also alles Content oder was? – Content-Marketing versteht sich als die Emanzipation der Unternehmen von den Medien. Wenn Unternehmen selbst zu Content-Lieferanten werden, sind sie nicht mehr angewiesen auf die Berichterstattung durch die Presse und können selbst bestimmen, worüber sie wie direkt mit ihrer Zielgruppe sprechen. In diesem Zusammenhang ist oft die Rede davon, dass man sich mit Content-Marketing ein eigenes (Publikations-)Haus baut und nicht mehr „zur Miete“ in anderen Medien wohnt. Dank Internet und Social Media kann man sich seine eigene Themenwelt gestalten, bestimmen, wer daran teilhaben kann und was man den Usern darin an einzigartigem Content anbietet. Im Gegenzug erwartet man dafür Vertrauen und Loyalität gegenüber dem Brand, was sich langfristig für das Unternehmen bezahlbar macht. Dafür muss der Inhalt – abgesehen von all den weiter bestehenden und relevanten technischen Onpage- und Offpage-Signalen an die Suchmaschine – es schaffen, das Suchbedürfnis der User zu sättigen. Content-Marketing ist hierfür der erste große Schritt in die richtige Richtung.