Konversionsoptimierung steht immer mehr im Fokus der Marketingverantwortlichen. Dabei dürfte mittlerweile bekannt sein, dass die Optimierung weit über Buttontests hinausgeht. Es geht um besseres Verkaufen. Mehr noch, es geht darum zu verstehen, was die Menschen wirklich zum Kaufen antreibt. Aus diesem Grunde war das passende Motto des diesjährigen Conversion Summit in Frankfurt am Main: „We Sell or Else. Optimization Beyond A/B Testing.“
We Sell or Else
Mit Spannung wurde der von Webarts veranstaltete Conversion Summit 2013 in der ausverkauften Frankfurter Unionhalle erwartet. Bryan Eisenberg oder Avinash Kaushik, renommierte Redner der letzten Jahre, hatten der Veranstaltung einen besonderen Stempel aufgedrückt und die Latte für das diesjährige Gipfeltreffen der Konversionsoptimierer hochgelegt. Um es gleich vorwegzunehmen: Jeder der 14 Speaker setzte in kurzer Zeit sehr viele Impulse für die praktische Umsetzung im eigenen Unternehmen. Neben Case-Studies zeigten die Referenten eindrucksvoll, weshalb Konversionsoptimierung eine Metadisziplin ist und sich insbesondere Elementen der Psychologie bzw. der Verhaltens- und Hirnforschung bedient. Die letzte Pause hatte das Motto „my brain hurts“, was angesichts der schieren Masse an Input durchaus passend erschien. Im Folgenden eine Auswahl an Ideen und Erkenntnissen der Referenten zum jeweiligen Themengebiet innerhalb von Neuromarketing, Verkaufspsychologie und Testing.
Nach einer kurzen Begrüßung von André Morys hatten die Referenten zwischen 20 und 45 Minuten Zeit, die Synapsen der 250 Teilnehmer mit neuem Wissen zu befeuern. Die Opening Keynote hielt Craig Sullivan. Aus seiner langjährigen Tätigkeit bot er einen umfassenden Überblick, welche Fehler und Lösungen ein erfolgreicher Konversionsoptimierer schnell durchlaufen bzw. umsetzen sollte. Die Spannweite seiner sehr umfassenden „Checkliste“ reicht von technischen Details wie bspw. Prüfung der eingesetzten Analytics- oder Testinglösung bis hin zur Körpersprache der eingesetzten Bilder. Ein großer Erfolgsfaktor ist dabei die Investition in Zeit und Personal für CRO, verbunden mit einer schnellen Umsetzung einer Vielzahl von Veränderungen.
Tipp
Unter einfach.st/craigs kann die Präsentation samt einem sehr umfassenden Ressource-Pack heruntergeladen werden. Unbedingt ein- und umsetzen und spätestens jetzt mit Konversionsoptimierung starten.
Steigern Sie die Motivation und vermindern Sie die Reibung
Im anschließenden Vortrag zeigte Roger Dooley, welche Faktoren eine Konversion positiv und negativ beeinflussen. Dooley überträgt in seinem Sinnbild der „Persuasion Slide“ eine Konversion auf eine Rutschfahrt. Damit die Fahrt (Konversion) starten kann, bedarf es eines kleinen Stupses wie bspw. einer E-Mail oder eines Banners. Anschließend entscheidet der Winkel der Rutschbahn, d. h. die Motivation, wie viel Spaß die Fahrt bereitet bzw. ob sie überhaupt stattfindet. Motivatoren können dabei bewusst (bspw. Geschenke oder Rabatte) und unbewusst (bspw. Verknappung) eingesetzt werden und wirken. Unbewusste Motivatoren sind dabei meist günstiger als permanent eingesetzte Rabatte, was mit vielen Beispielen dargestellt wurde. Ein weiterer wichtiger Punkt für eine erfolgreiche Rutschfahrt ist die Verminderung der Reibung, d. h. gute Usability. Hohe Reibung erzeugen bspw. sehr umfassende Formulare, wohingegen der 1-Click-Checkout und kurze Texte die Reibung vermindern.
Persuasive Design – überzeugen Sie den Kunden
Im folgenden Block aus vier Kurzvorträgen ging es um psychologische Effekte, die die Handlungen bei Menschen maßgeblich beeinflussen. Alexander Staats zeigte in seinem Vortrag, wie Menschen implizite Signale verarbeiten und ggf. missverstehen. Dies geschieht alles in Bruchteilen einer Sekunde. Als Beispiel zeige er die Startseite von Braun Hamburg (Abb. 4).
Haben Sie auch beim Namen Braun eher Rasierer im Kopf? Sind das Teaserbild und der Text „Buenos Aires“ sowie „Travel in Style“ passend für eine Modeseite oder wird beim kurzen Betrachten eher ein Reiseportal assoziiert? Implizite Signale werden in Millisekunden durch das Design gesendet, deshalb sollte besonders auf eine zweifelsfreie Kommunikation geachtet werden. Dies wurde im Vortrag von Peepe Laja weiter vertieft, der zeigte, welche Macht Persuasive Design hat. In seinem Vortrag erläuterte er, wie Menschen durch Design gezielt beeinflusst werden können. Unbedingt hierzu seinen Blogpost einfach.st/cxl5 mit sehr vielen Beispielen lesen und Anregungen für die eigene Webseite holen.
Preisgestaltung als strategischer und psychologischer Prozess
Leigh Caldwell offenbarte in seinem Vortrag die psychologische Wirkung von Preisen und welche Chancen und Risiken mit unterschiedlichen Strategien verbunden sind. So kann bspw. die Preiswahrnehmung beeinflusst werden, wenn zu zwei preislich nahen Produkten ein drittes teureres Produkt hinzugefügt wird (comprise effect) oder der hohe Preis mittels Raten in kleine, zukünftige Preise aufgeteilt wird (hyperbolic discounting). Eine weitere Möglichkeit ist die Unvergleichbarkeit des Preises durch „Verwirrung“ des Kunden, was er am Beispiel der Preisgestaltung von Ryanair-Flügen zeigte (confusion as a strategie). Sein Buch „The Psychology of Price“ ist für jeden empfehlenswert, der mehr über die Wirkung der zielgruppengerechten Preisfindung wissen möchte.
Neuromarketing meets Big Data
Den Einfluss von Neuromarketing wurde anschließend von Jens Bünger und Ronald Grimminger am praktischen Beispiel der Neu-Registrierungen von Friendscout24 vorgestellt. Neben der Konversionssteigerung durch explizite Signale wie Siegel zur Vertrauensbildung zeigten sie, wie Menschen, basierend auf den unterschiedlichen Typen der Limbic Map, mittels SEA gezielt angesprochen werden können. Ein Harmonizer, der „endlich wieder Herzklopfen“ verspürt, benötigt demnach eine andere Ansprache und Zielseite als ein „Lasse dich auf das Abenteuer ein“-hedonistischer Besucher. Durch Big Data erwarten sie in der Zukunft noch weitere Informationen für eine verbesserte, genauere (Vor-)Selektion der Besucher.
Die Macht der Texte
Die zweite Tageshälfte eröffnete Brian Massey, der sich als Conversion Scientist stilsicher im weißen Labormantel präsentierte. Sein Thema wird wahrscheinlich in der täglichen Arbeit unterschätzt: die Wirkung von Texten. Neben Erklärungen aus der Hirnwissenschaft (Areale von Broca und Wernicke) zeigte er konkrete Beispiele, welche enorme Wirkung der Text auf die Menschen und die Konversion hat. Sein Credo: Verstehen Sie Ihre Besucher. Seien Sie für sie relevant und formulieren Sie passend in Bezug auf die Phase ihres Bewusstseins. Das unterscheidet sich in den Extremen, ob die Besucher sich bereits mit einem Produkt intensiv beschäftigt haben und nun den Preis wissen wollen oder vollkommen unbeeinflusst ohne jegliches erkanntes Bedürfnis/Problem sind (Abb. 6). Beschäftigen Sie dafür gute Texter und testen Sie deren Ideen (siehe Abb. 7), es lohnt sich auf jeden Fall.
Ebenfalls mit dem Themengebiet (Verkaufs-)Text befasste sich der Vortrag von Michael Aagard. Aus der Erfahrung von 300 A/B-Tests zeigte er, wie bereits marginale Textänderungen statistisch signifikante Auswirkungen haben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die logische Textänderung von „Create My Account“ zu „Create Your Account“ reduziert im Test die Konversionsrate um 24,91 %. Ein wichtiger Punkt seines Vortrages war wieder der Appell nach Klarheit und Relevanz. Der Besucher möchte in kurzer Zeit verstehen, was das Angebot konkret beinhaltet und ob es für ihn passend ist. Die Belohnung bzw. Strafe erfolgt unverzüglich (siehe Abb. 8). Dabei gilt für ihn immer: Raten Sie nicht, sondern testen Sie!
Den Abschluss dieses Blocks gestaltete Kai Radanitsch, der in kompetenter Art und Weise in seinem Vortrag „Verkaufstechniken für Fortgeschrittene“ u. a. den „Decoy-Effekt“ oder das „Multi-armed-bandit-Problem“ erläuterte. Sehr spannende Themen, die jedoch aufgrund der Zeitknappheit flott präsentiert wurden.
Frauen sind anders, Männer auch
Die einzige Frau unter den Speakern, Nathalie Nahai, adressierte mit „Gender & Culturability“ die landes- bzw. regionsspezifischen Unterschiede im Konsumentenverhalten. Anhand der Kulturdimensionen von Hofstede (Machtdistanz, Individualismus und Kollektivismus, Maskulinität versus Femininität) zeigte sie die entsprechend notwendigen Unterschiede im Webdesign. Eine amerikanische Webseite spricht somit eher die Individualität an, wohingegen eine chinesische Webseite den Kollektivismus adressiert (siehe Abb. 9). Das „Wir“ wird insbesondere in der Bildersprache sichtbar. Nicht nur die Kultur beeinflusst die optimale Gestaltung, sondern auch das Geschlecht der Zielgruppe. Der Unterschied zwischen tendenziell männerlastigen Webseiten (schrill, animiert, interaktiv, zielorientiert, gamifiziert, viele Zwischenebenen) und frauenlastigen Webseiten (harmonische Farben, aufgeräumt, clean, bevorzugen wenige Ebenen) wurde in einer Liveabstimmung eindeutig erkennbar. Nicht nur für internationale Webseiten ist es wichtig, diese kulturellen und geschlechtsspezifischen Feinheiten akribisch zu beachten.
Psychologie-Trigger steuern das Handeln
Paul Rouke zeigte in seinem Vortrag Trigger, die Menschen zum Handeln verleiten. Neben der Verknappung („nur noch zwei Zimmer vorhanden“), Social Proof („3 ***** Rezensionen“) präsentierte er anhand eines konkreten Beispiels aus seiner Praxis, wie die Abschlüsse im Checkout durch die stringente Anwendung des „Commitment & Consistency“-Verhaltensprinzips um 37 % gesteigert werden konnten. Weitere Verbesserungen wurden erzielt, als die Auswahlmöglichkeiten im Checkout (Gast, Passwort vergessen etc.) reduziert wurden (Limited Choice). Die optische Reduzierung führte dazu, dass sich, dem Paradox of Choice folgend, Menschen lieber entscheiden, wenn sie weniger Auswahlmöglichkeiten haben. Als Abschluss zeigte er ein wahres Highlight, eine sehr skurrile und dennoch sehr erfolgreiche Seite: www.lingscars.com/. Unbedingt besuchen (auch mobil ein absolutes Highlight) und dabei den Ton richtig aufdrehen! Auf den ersten Blick würde jeder Optimierer in die Hände klatschen (Abb. 10). Auf den zweiten Blick ist die Seite genial. Mehr Vertrauen kann man online wohl kaum aufbauen: über 1.500 authentische Kundenbriefe und weite einzigartige Gestaltungselemente, die sich näher anzuschauen lohnt.
Im Anschluss präsentierte Steffen Schulz seine Masterarbeit zu Neuro-SEA. Basierend auf den drei Dimensionen der Limbic Map wurden die SEA-Anzeigen adäquat getextet, die Besucher im nachfolgenden Persönlichkeitstest analysiert und mit der geklickten Anzeige abgeglichen (siehe Abb. 11). Über alle drei Dimensionen hinweg konnte er aufzeigen, dass emotional geschriebene Anzeigen die Konversionsrate steigern. Wurde die Landingpage konform zum Limbic Typ designt, so führt dies zu einer weiteren Verstärkung des positiven Einflusses auf die Konversion.
Which Test won – Ideen für die tägliche Optimierung
Die Seite whichtestwon.com zeigt jede Woche einen interessanten A/B-Test mit den entsprechenden Ergebnissen und damit eine wöchentliche Inspiration für einen eigenen Test. Justin Rondeau zeigte daraus ein Best-of und gab dem Publikum wichtige Anregungen, wie bspw. das Testen von großen Hintergrundbildern, Overlays, regionale Unterschiede kritisch zu betrachten sowie Segmente zu nutzen.
Dark Patterns – Black Hat in der Konversionsoptimierung
Den krönenden Abschluss der Veranstaltung bestritt Dr. Harry Brignull mit seinem Vortrag zu Black Hat CRO, der dunklen Seite der Optimierung. Er bezeichnete es als „Dark Patterns = CRO gone wrong“. Es geht hierbei um die Frage: Wie werden Menschen bewusst in die Irre geführt bzw. deren Verhalten so beeinflusst, dass sie Dinge akzeptieren/durchführen, die sie sonst nicht tun würden. Es handelt sich hier nicht um schlechte Usability, sondern um bewusst geplante Aktionen. So muss ein Interessent von Royal Mail im gleichen Formular bewusst die obigen Kontaktmöglichkeiten anklicken, wenn er keine Kontaktaufnahme wünscht, und im weiteren Verlauf die weiteren Möglichkeiten nicht anklicken, wenn er diese nicht will (siehe Abb. 12). Ein Schelm, wer da nichts Böses denkt. Über Negation bzw. versteckte Opt-in- oder Opt-out-Möglichkeiten in Formularen wird die Zustimmung des Interessenten gewünscht unerwünscht eingeholt. Brignull zeigte u. a. auch, wie Kunden unbemerkt Abos abschließen, indem mit Sternchentexten exzessiv gearbeitet wird. Seine Seite darkpatterns.org zeigt ein umfassendes Repertoire an wirklich dunklen Methoden/Beispielen. Nachahmen nicht erwünscht!
Conversion Camp – von Optimierern für Optimierer
Am zweiten Tag fand das Conversion Camp statt. Hier wird das Programm durch den bekannten Barcamp-Modus von Teilnehmern für Teilnehmer gestaltet. Die bearbeiteten Themen stehen im Vergleich denen des Summit in nichts nach (Abb. 13). Eine ideale Möglichkeit, das Wissen zu erweitern und dabei einen Blick über Optimierung hinaus zu wagen. Das Zusammenspiel von SEO und CRO ist hierbei nur ein Beispiel.
Der Summit war eine hervorragende Möglichkeit, viele Ideen für die Praxis zu sammeln bzw. ein tieferes Verständnis der psychologischen Determinanten zu bekommen. Als einziger Wehrmutstropfen einer ansonsten absolut gelungenen Veranstaltung sind die technischen Verzögerungen bei den Präsentationen zu nennen, welche jedoch von den Referenten humorvoll überspielt wurden. Networking kam ebenfalls nicht zu kurz. Der ein oder andere persönliche Kontakt konnte durch das Tauschen von Karten einfach geknüpft werden, da jeder Teilnehmer bei der Registrierung acht identische Karten erhielt, die zusammen das Karten-Set die „Offsite Killer – was sind die wahren Conversion Killer, die eine Testingkultur verhindern?“ ergeben. Fleißig musste getauscht werden, ehe jeder 1. CI-Polizei, 2. Unternehmenskultur, 3. Buttonschubserei, 4. Relaunch, 5. Heteronomie, 6. Innensicht, 7. IT-Abteilung und 8. geringes Budget zusammenhatte.
Diese Veranstaltung ist ein Muss für jeden, der sich ernsthaft mit Konversionsoptimierung beschäftigt bzw. sich damit beschäftigen sollte. Die Referenten sind mit Bedacht ausgewählt und zeigen praxisnah eine interessante Facette der Optimierung. Frühzeitig Tickets für 2014 sichern.