Erfolgsfaktor Verständlichkeit: Inhalte, die wirklich ankommen

Gidon Wagner
Gidon Wagner

Gidon Wagner ist Online-Journalist und Geschäftsführer der WORTLIGA GmbH. Er ist Fachautor für Online-Marketing sowie Strategie- und B2B-Themen. Sein Unternehmen betreut Kunden im Content-Marketing, zum Beispiel auch HubSpot, die einen Blog für Online-Marketer aufgesetzt haben.

Mehr von diesem AutorArtikel als PDF laden

Zufriedene Leser sind glückliche Besucher: Der größte Nutzen eines Textes ist, verständlich zu sein. Und Inhalte können erst dann zu Besuchermagneten werden, wenn das Lesen Spaß macht. Gibt es aber objektive Richtwerte, mit denen guter Content gelingt? Das Hamburger Verständlichkeitsmodell hat unabhängige Grundsätze entwickelt, die Inhalte bei ausgewogener Anwendung zum Erfolg führen. Wer die Regeln der Verständlichkeit verinnerlicht, kann seinen Besuchern von heute auf morgen bessere Inhalte bieten und gleichzeitig sich selbst oder sein Unternehmen ins rechte Licht rücken.

Auch im Internet plagen viel zu viele komplizierte Texte ihre Leser. Besucher von Websites, Shops, Blogs, ja sogar von sozialen Netzwerken müssen sich durch komplexe Konstruktionen und sperrige Textwüsten kämpfen. Die Nutzerfreundlichkeit geht dabei den Bach hinunter. Viele Autoren und Webmaster schinden ihre Besucher aber gar nicht absichtlich mit der schweren Kost. Sie wollen nur nicht zu simpel wirken. Doch es gibt einen Mittelweg zwischen banal und kompliziert, und gute Online-Inhalte, redaktionelle Beiträge und Werbetexte schaffen diese Gratwanderung. Sie verzichten auf komplexe Sprache, um verstanden zu werden, und regen mit Einfachheit und Abwechslung an. Ein Buch legt man weg, eine Webseite schließt man, wenn mit dem Inhalt etwas nicht stimmt. Verständlichkeit ist Voraussetzung, damit der Inhalt angenommen wird, und zufriedene Leser sind glückliche Besucher. Das können und müssen Webmaster, Shopbetreiber und Content-Manager für sich nutzen.

Das Hamburger Verständlichkeitsmodell

Psychologisch grundiert und in der Praxis bewiesen sind die Regeln des Verständlichkeitsmodells. Das Konzept wurde von Inghard Langer, Friedemann Schulz von Thun und Reinhard Tausch im Jahre 1973 entwickelt. Es brachte objektive Kriterien hervor, die Texte verständlich machen.

Geschriebenes Wort ist Kommunikation, trotzdem vergessen wir oft, dass das Geschriebene beim anderen auch ankommen soll. Eigene Ansprüche an die Sprache müssen in den Hintergrund rücken. Der Besucher soll weiterlesen, kaufen, wiederkommen, auf „gefällt mir“ klicken und mehr. Wegweiser für objektiv gute Sprache ist das Hamburger Verständlichkeitsmodell, das sich in vier Punkte unterteilt: Kürze – Prägnanz, Gliederung – Ordnung, Einfachheit und anregende Zusätze.

Das richtige Maß finden

Die Kriterien des Hamburger Modells sind die Schlüssel zu einem aufmerksamen und zufriedenen Leser. Sie müssen aber im richtigen Verhältnis eingesetzt werden. Der Besucher soll den Text verstehen und sich mit den Inhalten identifizieren. Wie bei allem Guten ist zu viel der Theorie aber nicht optimal. Redaktionelle Beiträge, zum Beispiel in einem professionellen Blog, brauchen das Quantum Chaos, um nicht mechanisch zu wirken. Gliederung ist gut, übermäßige Ordnung langweilt. Ähnlich ist es mit der Kürze: Wer nur auf Prägnanz getrimmte Sätze in seinen Beitrag packt, verliert schnell die Aufmerksamkeit des Lesers. Zu viele kurze Sätze lesen sich nicht gut und der Lesefluss geht verloren. Der Mensch liest Text ähnlich, wie er Musik hört. Lange und kurze Impulse werfen ihn angenehm von Aspekt zu Aspekt, was spannend ist und anregt. Auch mit zu viel Einfachheit kann man User vergraulen, mit dem richtigen Maß hingegen begeistern. Texte, die banal sind, wirken wie Zeitverschwendung. Zu komplizierte Inhalte stoßen ab oder schreien nach einer einfachen Alternative, zum Beispiel der Seite eines Mitbewerbers.

Anregende Zusätze verwenden Autoren mit viel Erfahrung im genau richtigen Verhältnis. Sie lockern den Text auf und regen den Leser über die rein informative Ebene hinaus an. Wer auf „Specials“ in seinem Text gänzlich verzichtet, muss das mit Prägnanz, Einfachheit und Stichhaltigkeit ausgleichen, sonst wirkt der Inhalt trocken und langweilig. Wer es mit den anregenden Zusätzen zu gut meint, riskiert, vom eigentlichen Thema abzukommen. Der rote Faden darf nicht abreißen, sonst verliert der Text seine Relevanz.

Negativ-Beispiele und Verbesserungen

Süddeutsche.de:

Beispiel 1: Textauszug von Sueddeutsche.de, Prüfung mit Wortliga-Textanalyse:

Tatsächlich sind auch an der Google-Pforte eine Menge Sensoren angebracht, die im Moment des Übertritts unsere Profile prüfen, sie anhand des erneuten Eintritts erweitern und anpassen, die uns im Netz verfolgen, um uns schließlich die Informationen zu liefern, die zu uns passen.Wir werden also für uns selbst unsichtbar, ungefragt und ohne unser Entscheiden zu einem Informationsreservoir geführt, das die Google-Algorithmen für uns ausgewählt haben. Vielleicht würden wir anders entscheiden, wenn wir könnten. Wir können aber nicht.

Fehler: Satzlänge (unterstrichen)

Diesen Monster-Satz kann man kürzen. Vorschlag: „Tatsächlich sind auch an der Google-Pforte eine Menge Sensoren angebracht, die im Moment des Übertritts unsere Profile prüfen. Anhand unseres erneuten Eintritts werden diese Profile erweitert und angepasst. Solche Mechanismen verfolgen uns im Netz, um schließlich die Information zu liefern, die zu uns passt.“

Beispiel 2: Textauszug eines Blog-Beitrags über Virenscanner

Neben einer fürchterlich schlechten Sprache ist dieser Beitrag ein hervorragendes Beispiel für Wüsten von Füllwörtern und unpersönliche Sprache. Fazit: 50 Prozent weglassen und den Rest umschreiben ist hier angesagt. Das Tool gibt einen schnellen ersten Überblick darüber, was der Autor verpatzt hat.

Beispiel 3: Auszug einer missglückten Online-Pressemitteilung von „HadleyRichards“

Bei dieser Mitteilung bildet je ein Satz einen ganzen Absatz. Das bereitet keinem Leser Vergnügen und erschwert die ohnehin fehlerhafte Lektüre. Auch passive Formulierungen und diverse Füllwörter strecken das Elend und langweilen selbst den höchst motivierten Leser.

Warum verständlich schreiben

Betreiber von Online-Shops, Blogs und Portalen werden sich leichter tun bei der Erstellung verständlicher Inhalte, wenn sie die Antwort auf die Frage nach Sinn und Zweck der Einfachheit verinnerlichen. Natürlich geht es beim Erstellen hochwertiger Inhalte vor allem um Nutzer- und Kundenbindung. Nur in Bereichen wie dem Rechtswesen, der Wissenschaft und in Zimmern von Bürokraten kommen komplizierte Inhalte wirklich gut an. Umständliche, nüchterne und staubtrockene Sprache ist für viele zu einem Erkennungsmerkmal geworden. Entscheider sollten aber viel mehr ihr Publikum in die eigenen Inhalte einbeziehen, und das am besten mit niedrigem Lesewiderstand.

Wer einen eigenen Blog pflegt, der kommt mit komplizierter Sprache nicht gebildeter oder versierter rüber als ein anderer, der einfach schreibt. Im Gegenteil: Einfach zu schreiben ist eine Kunst und viel schwerer als kompliziert und sperrig. Seine Inhalte mit Gliederung und Ordnung zu gestalten, ist das viel größere Werk, als unbedacht eine Information an die andere zu reihen. Der Autor hinter dem schwer verständlichen Text geht komplett unter, während der andere lange daran feilt und dem Inhalt ein Gesicht gibt. Im kommerziellen Bereich spiegeln „saubere“ Inhalte Seriosität und Integrität eines Unternehmens wider. Nutzer schätzen guten Lesestoff, wenn auch oft nur subtil. Der Aha-Effekt motiviert, sich intensiver mit der geöffneten Seite auseinanderzusetzen. Inhalte und Botschaften wirken auf Leser interessanter, wenn der Text eine erkennbare Selbstdarstellung enthält. Das kann bei Inhalten wie Shoptexten schwer sein. Aber selbst hier empfiehlt sich ein persönlicher Stil, um Produkte und den gesamten Shop authentisch wirken zu lassen.

Verständlichkeit prüfen

Wissenschaftler wie Schulz von Thun sehen unverständliche Texte als Instrument von Medien und Behörden, um das Publikum von demokratischen Prozessen auszuschließen. Das sollten sich Unternehmen zu Herzen nehmen. Um bei der Zielgruppe anzukommen, können sich Autoren und Webmaster bei jedem Text fragen: Sind wir verständlich genug? Beantworten wir die Fragen unserer Besucher ausreichend und ohne Schnörkel? Kommen wir an? Einen Beitrag sollten immer mehrere Augenpaare auf Verständlichkeit prüfen. So umgehen Content-Manager die Auswirkungen von Betriebsblindheit und nicht zuletzt das eigene Ego. Das muss kein komplizierter Prozess sein. Frei zugängliche Tools wie die WORTLIGA-Textanalyse prüfen Inhalte automatisiert auf die Regeln des Hamburger Verständlichkeitsmodells. Der Anbieter lingulab.de ist kostenpflichtig, bietet aber eine Testphase. Spezielle Lösungen wie „bürgernahe Verwaltungssprache“ geben zum Beispiel gewillten Vertretern von Behörden und öffentlichen Stellen einen Wink mit dem Zaunpfahl: Schreibt besser, schreibt verständlich.

Checkliste für verständliche Inhalte

  • Texte nachvollziehbar gliedern
  • Wesentliches zu Beginn des Textes ...
  • ... und das Wichtigste zu Beginn des Satzes
  • Der Reihe nach schreiben
  • Das Thema konsequent beibehalten
  • Beschreibungen einfach halten
  • Vertraute Wörter verwenden
  • Wörter wie „beinhalten“, „Lieschen“, oder „beerben“ lesen sich schlecht und das Auge „bleibt daran hängen“
  • Kurze und mittellange Sätze schreiben mit durchschnittlich 9 bis 13 Wörtern
  • Lange Konstruktionen aus Haupt- und Nebensätzen vermeiden
  • Komplexe Ausdrücke und Fachbegriffe vermeiden oder erklären
  • Sprache konkret und anschaulich gestalten
  • Beispiele bringen, um dem Leser ein Bild zu vermitteln
  • Mit zusätzlichen Elementen wie Fragen, Zitaten, Pointen, Bildern und Boxen arbeiten
  • Den Leser und seine Situation mit konkreten Beispielen ansprechen
  • Lange Sätze in mehrere kurze Sätze aufbrechen
  • Dinge immer wieder beim Namen nennen, um das Überfliegen von Texten zu ermöglichen
  • Mit Zwischenüberschriften für Gliederung und Übersicht sorgen
  • Passiv-Sätze vermeiden
  • Eher kurze als lange Wörter verwenden (dreisilbig)
  • Persönliche, direkte Sprache verwenden
  • Füllwörter vermeiden, die den Lesefluss stören
  • Keine Phrasen bringen
  • Auf Abkürzungen verzichten, um den Fluss zu erhöhen
  • Zusammenhängende Satzglieder nicht zu weit strecken und einen Gedanken nach dem anderen bringen