Besteht ein Recht auf Nicht-Verlinkung?

Martin Bahr
Martin Bahr

Dr. Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg und auf das Recht der Neuen Medien und den gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Neben der reinen juristischen Qualifikation besitzt er ausgezeichnete Kenntnisse im Soft- und Hardware-Bereich. Unter Law-Podcasting.de betreibt er seit 2006 einen eigenen Podcast und unter Law-Vodcast.de einen Video-Vodcast.

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Auch wenn bislang jeder überzeugende Nachweis für das Wirken von Negativ-SEO fehlt, so kann der Trend nicht mehr geleugnet mehr: Während früher die Suchmaschinen-Branche sich nur darauf konzentrierte, Webseiten gut auffindbar zu machen, werben immer mehr SEO-Agenturen – hinter vorgehaltener Hand – auch mit der Möglichkeit, unliebsame Konkurrenz-Portale downzuranken.
Hat der Inhaber eines Portals, das Opfer eines solchen Negativ-SEO-Angriffs wird, einen rechtlichen Anspruch auf Nicht-Verlinkung, um sich zu wehren?

A. Die Sachlage:

In der Theorie ist Negativ-SEO schnell erklärt: Da der Google-Rang maßgeblich durch die Verlinkung einer Webseite beeinflusst wird, ist sowohl ein Auf- als auch ein Abstieg bei der Platzierung möglich. Während der Aufstieg häufig durch den Einkauf von Backlinks von gut gerankten themenrelevanten Seiten erfolgt, passiert beim Downrank das exakte Gegenteil.

Um die Webseite eines unliebsamen Konkurrenten auf die hinteren Plätze zu verbannen, wird von minderwertigen Seiten auf das Portal des Mitbewerbers verlinkt. Der negative Rank der Seiten soll sich damit auf die verlinkte Webseite übertragen und somit zu einer deutlich schlechteren Positionierung führen.

In der SEO-Szene wird seit Längerem kontrovers diskutiert, ob ein solches Negativ-SEO überhaupt möglich ist. Matt Cutts, Googles Chef-Optimierer, hat in einem Video-Statement im August 2011 (siehe einfach.st/gwcspam) selbst zugegeben, dass diese Möglichkeit nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Wörtlich sagte er: „Daher versuchen wir einen Code einzubauen, der verhindert, dass jemand einem anderen leicht Schaden zufügen kann.“ Das Wort „versuchen“ ist dabei von besonderem Interesse.

Spätestens der Fall „holzspielzeug-discount.de“ vom Dezember 2011 zeigt, dass Negativ-SEO längst in der Praxis angekommen ist. So wurde der Betreiber der Domain „holzspielzeug-discount.de“ Ende 2011 erpresst, 5.000,- EUR zu zahlen, andernfalls wurde ihm eine Abwertung bei Google durch eine massenhafte Spam-Verlinkung angedroht. Ob diese Drohung nun möglich ist oder nicht, ist somit inzwischen unerheblich. Spätestens, wenn sich findige Leute dieses Szenario zunutze machen, um Unternehmen finanziell unter Druck zu setzen, ist das Thema von aktueller Bedeutung. Der Fall „holzspielzeug-discount.de“ wird in der Branche kontrovers diskutiert (siehe einfach.st/mitweg).

B. Die Rechtslage:

Die interessante juristische Frage ist nun: Kann sich ein Webmaster gegen eine solche Spam-Verlinkung erfolgreich wehren? Oder muss er auch negative Backlinks hinnehmen?

1. Die Bedeutung von Links

Die bisherige Rechtsprechung hat sich zum Thema „Links“ bislang fast nur mit dem umgekehrten Phänomen auseinandergesetzt – wann nämlich die Link-Setzung zu kritischen Seiten erlaubt ist.

Legendär – wenn auch unausrottbarer juristischer Schwachsinn – ist bis heute der Disclaimer, in dem Bezug auf ein Urteil des LG Hamburg genommen wird:

„Mit dem Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Anbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seiten ggf. mit zu verantworten hat. Dies kann nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesem Inhalt distanziert.

Für alle Links auf dieser Homepage gilt: Ich distanziere mich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller verlinkten Seitenadressen auf meiner Homepage und mache mir diese Inhalte nicht zu eigen.“

Wie gesagt, dieser Disclaimer ist rechtlicher Nonsens (siehe einfach.st/discl1), bewegt aber bis heute die Netzgemeinde.

Sechs Jahre musste der Heise-Verlag gegen die Musikindustrie ankämpfen für sein Recht, auch auf Webseiten zu verlinken, auf denen Software angeboten wird, die den Kopierschutz von Musikstücken umgeht. Mitte 2010 erfolgte schließlich die Grundlagenentscheidung des BGH (Urt. v. 14.10.2010 – Az. I ZR 191/08), dass auch die Setzung von Links unter die grundgesetzlich geschützte Presse- und Meinungsfreiheit fällt und daher grundsätzlich nicht verboten werden kann.

Die Linksetzung wurde somit bislang in aller Regel nur unter der Frage erörtert, ob der Linksetzende so handeln darf. Die Frage, ob auch der Verlinkte einen Anspruch auf Nicht-Verlinkung hat, wurde dagegen gerichtlich (praktisch) nicht erörtert.

2. Bei klarer Beweislage

Kann ein Webmaster nachweisen, dass ein Mitbewerber oder ein sonstiger Dritter Links in der Absicht platziert, einen Downrank der verlinkten Webseite herbeizuführen, so ist die Rechtslage klar und eindeutig.

Aufgrund gleich mehrerer Vorschriften hat der Webmaster einen Unterlassungsanspruch gegen eine solche Verlinkung.

Handelt es sich bei dem Initiator um einen Mitbewerber, so ergibt sich ein Anspruch aus dem Wettbewerbsrecht, da die gezielte Behinderung nicht erlaubt ist (§ 4 Nr. 10 UWG). Aber auch außerhalb eines Wettbewerbsverhältnisses sind Webmaster ausreichend geschützt: Das allgemeine Zivilrecht kennt die sogenannte „vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“ (§ 826 BGB). Daneben greift auch das allgemeine Deliktsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB).

Also alles halb so schlimm? Die deutsche Rechtsordnung scheint doch genug Hilfsmittel zu bieten, solches Negativ-SEO zu unterbinden.

Die Antwort fällt leider anders aus als erwartet. Nur bei klarer Beweislage greifen die vorgenannten Rechtsnormen, wenn also der Webmaster nachweisen kann, dass er behindert wird bzw. ein realer Schaden droht. Und genau hier liegt in der Praxis die Krux: Zum einen wird dem Webmaster häufig der gerichtsfeste Nachweis, wer hinter diesem Negativ-SEO steckt, nicht gelingen. Zum anderen ist – wie schon zuvor erläutert – bis heute außerordentlich umstritten, ob überhaupt ein Schaden durch negative Verlinkung möglich ist. Für beides trägt der Webmaster vor Gericht jedoch die Beweislast.

3. Bei unklarer Beweislage

Daher stellt sich schnell die Anschlussfrage: Gibt es neben den erwähnten Anspruchsgrundlagen noch weitere, die auch dann greifen, wenn die Beweislage unklar ist?

a. Grundsatz: Kein genereller Unterlassungsanspruch

Da der BGH die Linksetzung als eine Ausdrucksform der Meinungsfreiheit ansieht, ist diese Linksetzung durch das entsprechende Grundrecht (Art. 5 GG) geschützt. Dies bedeutet nichts anderes, als dass ein Webmaster keinen grundsätzlichen Unterlassungsanspruch gegen eine Verlinkung hat.

Die einzige bislang bekannt gewordene Entscheidung in diesem Zusammenhang ist die des OLG Celle (Urt. v. 15.02.2007 – Az.: 13 U 4/07). Dort wehrte sich ein Bauunternehmer gegen die Verlinkung von einer kritischen Webseite mit dem Titel „pfuscher-am-bau“. Der Kläger sah darin eine Diskreditierung seiner Person und wollte die Linksetzung verbieten lassen. Das OLG Celle wies die Klage ab. Die Richter führten aus, allein der Umstand, dass eine Verlinkung von der Webseite „pfuscher-am-bau“ vorgenommen werde, führe noch nicht zu einer Beeinträchtigung der verlinkten Page. Der Link an sich bringe noch nicht zum Ausdruck, dass es sich bei dem Kläger um eine Pfuschfirma handele. Vielmehr sei eine Linksetzung eine im Internet allgemein übliche Handlung.

b. Ausnahmen

Es gibt jedoch besondere Einzelfälle, bei denen ein Webseiten-Betreiber ausnahmsweise doch einen Anspruch auf Nicht-Verlinkung hat.

aa. Wenn Deep-Links Urheberrechtsverletzungen sind

Seit der „Paperboy“-Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2003 ist bekannt, dass Deep-Linking grundsätzlich urheber- und wettbewerbsrechtlich erlaubt ist. Das gilt selbst dann, wenn dem Seitenbetreiber dadurch erhebliche Werbeeinahmen verloren gehen. Weniger bekannt hingegen ist das „Session ID“-Urteil der Karlsruher Richter (BGH, Urt. v. 29.04.2010 – Az.: I ZR 39/08) ein paar Jahre später. Werden nämlich durch das Deep-Linking etwaige Schutzmaßnahmen des Webseiten-Betreibers umgangen, so stellt dies nach Ansicht der Robenträger eine Urheberrechtsverletzung dar. Dabei sind die Anforderungen an die Schutzmaßnahmen nicht allzu hoch. So soll bereits eine Session-ID ausreichend sein.

Für die hier besprochene Problematik des Negativ-SEO ist diese Ausnahme jedoch wenig hilfreich, denn der Black-Hat-SEO wird in der Regel keine solchen Deep-Links setzen.

bb. Bei Inline-Links

Eine weitere Ausnahme stellt das sogenannte Inline-Verlinken dar. Bindet ein Dritter zum Beispiel die auf dem Server des Webmasters liegenden Grafik-Dateien auf seiner Webseite ein, so ist dies ein Rechtsverstoß, da hierdurch der Traffic erhöht nicht unerheblich wird.

Auch diese Ausnahme greift jedoch leider nicht in den Fällen des Negativ-SEO.

cc. Bei irreführender Verlinkung

Im Fall, den das OLG Thüringen (Urt. v. 14.05.2003 – Az.: 2 U 1234/02) zu entscheiden hatte, waren durch einen Unternehmer Links zu Branchen-Fachverbänden gesetzt worden, ohne bei diesen Mitglied zu sein. Die Vorinstanz, das LG Erfurt, sah darin eine Irreführung der Verbraucher, denn durch die Linksetzung werde der Eindruck erweckt, das Unternehmen sei Mitglied in diesen Branchen-Fachverbänden und verfüge somit über eine höhere Reputation.

Das OLG Thüringen hob dieses Urteil jedoch auf und verneinte eine Irreführung durch eine bloße Linksetzung. Das schlichte Bereithalten von Links innerhalb einer besonderen Rubrik einer Internetpräsenz habe ohne einen entsprechenden Hinweistext keinerlei Aussagegehalt. Vielmehr handle es sich lediglich um eine technische Weiterleitung, ohne dass zwischen dem Anbieter des Links und dem Verlinkten irgendeine Nähebeziehung bestehen müsse.

Leider hilft somit auch diese Ausnahme in der hier besprochenen Konstellation nicht weiter.

dd. Bereithalten einer Link-Policy?

Bin ich dann den Black-Hat-SEOs dieser Welt schutzlos ausgeliefert?, wird sich ein jeder Webmaster fragen und möglicherweise zu jedem Strohhalm greifen, der sich ihm bietet.

Ein solcher Strohhalm könnte zum Beispiel die Einführung einer Link-Policy auf der eigenen Seite sein. Der Webmaster legt genau fest, wer ihn verlinken darf und unter welchen Umständen.

In der Online-Welt gibt es hierfür zahlreiche prominente Beispiele:

So heißt es beispielsweise auf der Webseite (siehe einfach.st/impr1) der Bundesnetzagentur:

„Die Einrichtung eines Hyperlinks von anderen Webseiten auf eine der zu diesem Online-Angebot gehörenden Webseiten, ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Bundesnetzagentur, wird ausdrücklich untersagt.“

Auch die DirektAnlageBank (http://einfach.st/dabnb), Gemeinden (http://einfach.st/gemnb), die Mercedes-Bank (http://einfach.st/mbbnb) oder ProSieben (http://einfach.st/p7nb ) folgen diesem Beispiel. Eine Suche bei Google bringt mehr als 100.000 Treffer für den deutschsprachigen Raum.

All diese Webseiten haben eines gemeinsam: Die Texte sind nicht das virtuelle Papier wert, auf dem sie stehen. Die Wirksamkeit einer Link-Policy setzt nämlich voraus, dass der Verlinkende zuvor den Regelungen zugestimmt hat, denn bei der Policy handelt es sich um nichts anderes als um allgemeine Geschäftsbedingungen. Und diese entfalten ihre Kraft nur dann, wenn der andere Vertragspartner der Einbeziehung zugestimmt hat. Diesen Umstand wird der Webmaster in der Regel aber nicht nachweisen können, denn die Besucher seiner Webseite sind anonym.

C. Ergebnis:

Ein Seitenbetreiber hat bei klarer Beweislage umfassende Rechte zur Abwehr negativer SEO-Maßnahmen. Sobald die Beweissituation jedoch unklar wird bzw. die Handlungen nicht nachgewiesen werden können, besteht kein grundsätzlicher Anspruch auf Nicht-Verlinkung. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen kann ein Webmaster dann juristisch erfolgreich vorgehen. Daher ist in diesen Fällen dringend die Beratung durch eine professionelle SEO-Agentur anzuraten.

Danke an Karsten und Kai von Sohomint für den interessanten Themenvorschlag.