Studenten holen den Europasieg der Google Challenge nach Würzburg

Michael Müßig
Michael Müßig

Michael Müßig ist Professor an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt und wirkte für die Fakultät Informatik und Wirtschaftsinformatik entscheidend am Aufbau einer Hochschulkooperation mit der Christ University Bangalore mit. Im Rahmen eines erneuten Aufenthaltes im Februar 2011 nahm er unter anderem am Social Media New Face of Marketing teil und lernte dabei Suresh Babu als einen der führenden Webmarketiers Indiens kennen.

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Jedes Jahr veranstaltet Google einen internationalen Online-Marketing-Wettbewerb, die Google Online Marketing Challenge (GOMC). Teilnehmen dürfen nur Studierende von Hochschulen unter der Leitung eines Dozenten. Die Studierenden bekommen weltweit einheitlich 250 US$ für eine AdWords-Kampagne zugeteilt und müssen sich ein reales Unternehmen suchen, für das sie die Anzeigen aufschalten. Die E-Commerce-Studierenden der Hochschule Würzburg-Schweinfurt (vormals „FH“) hatten bisher bereits jeweils Spitzenplätze belegt und haben es diesmal zum Europasieger geschafft – bei mehr als 50.000 Teilnehmern uns über 100 Ländern. Aber nicht das ist es, was es wichtig macht – sondern die Tatsache, dass es ihnen gelungen ist, aus nur 250 US$ satte 18.000 US$ Umsatz zu generieren. Website Boosting sprach mit den Siegern über das, was die Kampagnen so erfolgreich gemacht hat.

WSB: Erst mal Gratulation zu dieser tollen Leistung! Euer Team hat den 1. Preis der Google Challenge für Europa nach Würzburg geholt. Wer darf an diesem Wettbewerb eigentlich teilnehmen und wie muss man sich den Ablauf vorstellen?

Stefanie: An der GOMC dürfen Studententeams mit 3 bis 6 Mitgliedern unter Aufsicht eines Professors teilnehmen. Ziel ist es, für ein Unternehmen eine AdWords-Kampagne zu entwickeln. Mit dieser Kampagne hat man 21 Tage Zeit, mit $ 250 Budget möglichst viel Umsatz zu generieren.

Martin: Bevor die Kampagne startet, muss das Team ein „Pre-Campaign“-Papier erstellen, in dem man seinen Vorgehensplan erklärt und wie man sein Budget einsetzen will. Nach der Kampagne reicht man dann einen Abschlussbericht ein und zieht ein Fazit. Anhand der Konto-Performance sowie der Ausarbeitung der Pre- und Post-Campaign-Dokumente werden die Teams bewertet und der Gewinner ermittelt.

Wenn ihr euch selbst den Shop-Partner suchen konntet, was waren da für euch die wichtigen Kriterien?

Urs: Das Schwerste daran war es, einen Shop zu finden, der in den letzten 6 Monaten kein AdWords geschalten hatte, da dies eine Voraussetzung war. Zusätzlich wollten wir auch einen Online-Shop haben, bei dem bezüglich Usability Verbesserungspotenziale da sind. So sind wir bei neofab.de gelandet, da Christian Schmitt uns Handlungs- bzw. Beratungsfreiheit gewährt hat und er für das Thema sehr motiviert ist.

Christian: Zusätzlich haben wir darauf geachtet, einen Shop betreuen zu dürfen, der nach unserer Ansicht Produkte verkauft, die auch eine hohe Nachfrage und einen möglichst niedrigen CPC (Kosten pro Klick) haben, um das niedrige Budget möglichst effizient nutzen zu können.

Was an dem Shop habt ihr denn umgebaut und warum?

Urs: Wir haben den kompletten Checkout-Prozess umgebaut, da beispielsweise der Weiter-Button außerhalb des sichtbaren Bereichs lag und unseres Wissens so potenzielle Käufer schlechter konvertieren. Außerdem wurde der Nutzer im alten Shop nicht optimal durch den Bestellprozess geführt. Im neuen Online-Shop wird der Nutzer besser begleitet und kann auch ständig sehen, wo er sich gerade befindet und wie viele Schritte er noch zu bewältigen hat. Ein weiteres Problem war, dass auf den Übersichtsseiten der Warenkorb-Button sehr eng neben dem Artikeldetail-Button lag. Diesen haben wir ausgebaut, da wir vermutet haben, dass dies zu ungewollten Warenkorbablagen führte und die Nutzer wegen dieses unerwarteten Moments die Seite verließen.

Wie seid ihr denn nun genau vorgegangen bei der Erstellung und Optimierung des AdWords-Kontos?

Martin: Da wir aufgrund des Budgets nicht alle Produkte des Online-Shops bewerben konnten, haben wir uns für Produkte entschieden, bei denen wir das größte Werbepotenzial sahen. Wir haben für jede einzelne Produktkategorie Werbekampagnen angelegt. Display- und Suchanzeigen wurden getrennt, um so einen besseren Überblick über die Performance zu bekommen und die Kampagnen gezielter steuern zu können. Des Weiteren haben wir im Verlauf der Kampagne zu „nischige“ Long-Tail-Suchbegriffe rausgenommen und Short-Tail-Suchbegriffe dafür aufgenommen. Was uns vermutlich einen wesentlichen Vorteil verschafft hat, waren der Einsatz von Sitelinks und die Nutzung der Productlisting-Ads.

Stefanie: Wir haben auch besonders auf die Ausspielung unserer Anzeigen geachtet, weshalb wir die Länderbegrenzung auf den deutschsprachigen Raum gesetzt, für Endgeräte Mobiltelefone ausgeschlossen und auch die zeitliche Ausspielung genutzt haben. Strukturiert wurde das Konto auf Kampagnen-Ebene nach Marken sortiert und auf AdGroup-Ebene nach den Uhrenserien oder -farben. Wir haben täglich unser Konto optimiert und täglich Negativ-Listen aktuell gehalten, weil wir beispielsweise die Marke Bering beworben haben und nicht mit dem Herren Anders Behring Breivik in Verbindung gebracht werden wollten.

Woher kommt denn die spürbare Begeisterung für das Thema? Hat euch euer Professor Mario Fischer so stark angetrieben?

Christian: Das Interesse am Thema E-Commerce wurde definitiv in der Vorlesung von ihm geweckt und hat sich im Praktikum noch gefestigt. Dass wir an der Challenge teilnehmen, ist hier im Studiengang ja fest im Vorlesungsplan vorgesehen. Das Gewinnen steht da nur nicht drin …

Die meisten von euch haben jetzt noch eine Bachelorarbeit vor sich, dann seid ihr 2013 bereit für den Sprung in den Job. Was habt ihr im Einzelnen vor? Habt ihr schon Stellenangebote bekommen? Oder wollt ihr euch selbstständig machen, so wie das Team von 2009 aus eurer Fakultät, das damals den zweiten Platz belegt hat?

Christian: Ich habe mich schon selbstständig gemacht mit der Online-Marketing-Agentur Cutvert, bei der Urs mich bis dato auch unterstützt hat. Den anderen Teammitgliedern steht hier natürlich die Tür offen.

Stefanie: Direkt nach dem Studium möchte ich erst einmal Berufserfahrung sammeln und noch nicht in die Selbstständigkeit gehen.

Martin: Selbstständig machen ist ein kleiner Traum von mir, aber direkt nach meinem Studium werde ich voraussichtlich erst einmal Berufserfahrung sammeln, vorzugsweise im SEA.

Urs: Nach dem Studium werde ich eines der Stellenangebote annehmen und übergangsweise arbeiten, bis dann endlich der E-Commerce-Master in Würzburg da ist.

Mario, das aktuelle Team kommt aus dem Schwerpunkt E-Commerce des Studienganges Wirtschaftsinformatik. Nun hast du ja im letzten Jahr auch den bundesweit ersten komplett eigenständigen Studiengang E-Commerce aus der Taufe gehoben. Was dürfen wir dann in ein paar Jahren von diesen Studenten erwarten?

Mario: Das muss die Zukunft zeigen. In diesen neuen Studiengang haben wir unsere komplette und wirklich langjährige Erfahrung einfließen lassen und neben Bewährtem auch sehr viele völlig neue Vorlesungen entwickelt. Das Ziel ist völlig klar: Die Absolventinnen und Absolventen sollen nach dem Abschluss nach sieben Semestern in der Lage sein, sämtliche Facetten im E-Commerce zu bespielen, Prozesse zu steuern und mit allen Beteiligten an den „Schnittstellen“ kompetent sprechen zu können. Sie lernen z. B., wie man performant Onlinedatenbanken aufbaut, Content managt, Shops aufbaut und betreibt, Frameworks oder APIs nutzt, wie Webanalyse gemacht wird, aber natürlich auch Dinge wie High-End-SEO, SEA oder Conversion-Optimierung. Zusätzlich legen wir sehr viel Wert darauf, dass die Studierenden lernen, auch einen strategischen Blick zu entwickeln, und sich damit von operativen Perspektiven lösen können. Ich persönlich bin überzeugt, dass die Unternehmen mit ihnen mehr als zufrieden sein werden und sicherlich wird es auch interessante Unternehmensgründungen – übrigens auch Bestandteil des Lehrplans – geben. Mit bisher nur drei E-Commerce-Schwerpunktmodulen (was etwa einem halben Semester entspricht) konnten wir uns mit unseren Absolventen einen hervorragenden Ruf erwerben. Jetzt haben wir volle sieben Semester Zeit für eine noch intensivere Ausbildung! Aber eigentlich platze ich ja jetzt schon vor Stolz, wenn ich sehe, wie schnell und kompetent sich die meisten „meiner“ EC-Schwerpunkt-Absolventinnen und -Absolventen in der Praxis nach oben arbeiten. Die sind auch alle super motiviert und bringen die nötige Neugier ja schon mit. Wir müssen da nur noch aktuelles und passendes Fach- und Praxiswissen eingießen und vielleicht ab und an noch ein paar glühende Kohlen nachlegen. Danach halten die das Feuer selber am Brennen. Das ist übrigens der Grund, warum ich so gerne als Professor genau in diesem Gebiet und Umfeld arbeite: Man spürt, dass man hier an etwas für junge Menschen und ihrer Zukunft sehr Wichtigem mitgestalten darf und kann.

Das hört sich etwas pathetisch an …

Mario: Ja, wahrscheinlich. Aber es ist schon so, dass der Erfolg der Absolventen/Absolventinnen und wirklich sehr viel positives Feedback aus den Unternehmen eine starke Motivationswirkung haben. Ich mache das gern und würde meinen Job mit niemandem tauschen wollen!

Wir danken euch für das Gespräch und wünschen euch weiterhin viel Erfolg! (Das Interview führte Michael Müßig)