Performancemarketing revolutioniert die Marketingsteuerung! Erschreckend oft werden die Marketingbudgets in Unternehmen noch nach der traditionellen Methode eingesetzt: „Hier hast du – gib aus!“ Dass dies in Zeiten des Performancemarketings völlig überholt ist, scheint offenbar nicht zu stören. Dabei kann doch nahezu jede Reaktion des „Umworbenen“ auf die eigene Werbung gemessen und den Budgets gegenübergestellt werden. Wird diese Messbarkeit bewusst eingesetzt und im Unternehmen kultiviert, kann der Wirkungsgrad des Marketingbudgets kontinuierlich nach oben gefahren werden – sehr zur Freude aller Beteiligten in Marketing- und Unternehmensführung. Der Online-Marketing-Experte Daniel Schimmer erklärt, wie man diese Herausforderung angeht, und auch, dass dies gar nicht so schwer ist, wie es scheint.
Steuern Sie schon - oder geben Sie noch aus?
Weshalb Budget kein Marketingziel ist
Budget ist damit also nicht länger das Ziel, sondern wird zum Ergebnis einer modernen Marketingsteuerung. Ziel ist das Erreichen einer sinnvoll vom Unternehmenszweck abgeleiteten Zielvorgabe. Sofern diese erreicht wird, kann für Marketing theoretisch beliebig viel Geld ausgegeben werden, denn der Budgeteinsatz erfolgt dann stets rentabel und trägt sich im Idealfall durch das generierte Ergebnis sogar selbst. Dadurch ergibt sich eine Umkehrung der Marketingsteuerung (siehe Abb. 1.).
Wie Sie die Zielvorgabe für Ihr Unternehmen ermitteln
Wenn Sie Ihr Marketing zukünftig an der Performance ausrichten wollen, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Sie benötigen zunächst eine Steuerungsgröße (oft auch als KPI – Key-Performance-Indicator – bezeichnet). Das Wort „eine“ ist hierbei durchaus wörtlich zu verstehen. Mehr als eine Steuerungsgröße führt zu konkurrierenden Zielvorgaben. Beide gleichzeitig zu erreichen, wäre Zufall und ließe den Marketingmanager im Unklaren, wie zu handeln ist.
Die Frage, was der richtige KPI ist, beantwortet sich aus dem Unternehmenszweck. Verkaufen Sie Produkte, so sollte tunlichst das Ergebnis (nach allen relevanten Kostenarten wie Wareneinstand, Lagerung/Logistik und natürlich den Werbekosten sowie unter Berücksichtigung von Stornos und Retouren) als Steuerungsgröße dienen. Die Ermittlung ist zwar etwas aufwendiger als der antiquierte CPO (Cost-per-Order), lässt sich aber mit ein paar Tricks und Kniffen zumindest kalkulatorisch schnell erfassen. Wenn Sie sich verdeutlichen, dass bei einem CPO der Verkauf von Socken im Wert von 3,99 € den gleichen Steuerungswert besitzt wie der eines Abendkleids für 400,- €, wird der Nutzen einer durchdachten KPI-Wahl schnell ersichtlich.
Arbeitet Ihr Unternehmen mit einem Abo-Modell, so können Sie das Ergebnis über die durchschnittliche Lebensdauer eines Kunden und die Erträgen dieser Zeit kalkulatorisch ansetzen. Dieser Denkansatz findet auch in transaktionsorientierten Geschäftsmodellen (wie dem E-Commerce) zunehmend Beachtung. Dabei wird der für die Zukunft erwartete Gewinn durch einen neu gewonnenen Kunden bereits mit dem Erstkauf direkt verrechnet. Erst in einer solchen, hier vereinfachend dargestellten Customer-Lifetime-Betrachtung (CLV) bewerten Sie das Marketing mit der tatsächlich erreichten Performance. Gleichzeitig nutzen Sie Marktpotenziale besser aus und konzentrieren sich stärker auf Kampagnen, die durch besonders viele Neukunden zu einer nachhaltigen Geschäftsentwicklung beitragen.
Die zweite Voraussetzung für eine Performancesteuerung stellt eine Investitionsgrenze für den KPI dar. Im Beispiel der oben dargestellten Ergebnissteuerung wäre ein Ergebnis (nach Marketingkosten) in Höhe einer schwarzen Null die natürliche Steuerungsgrenze, über die das Marketing tunlichst nicht hinausgehen sollte. In Abhängigkeit von der Marktphase entscheiden sich Unternehmen aber mitunter sogar zeitweilig für ein leicht negatives Ergebnis (z. B. in der Anfangsphase eines neuen Geschäftsmodells). Etablierte Marktteilnehmer erwarten dagegen von ihrem Performancemarketing eine Mindestrentabilität (wenn auch unter direkter Berücksichtigung der noch zu erwartenden CLV; s. o.).
Mit KPI und dazugehöriger Investitionsgrenze können Sie nun eine Zielvorgabe benennen, die durch die Marketingaktivitäten mindestens zu erreichen ist (siehe Abb. 2), und damit Klarheit für alle Beteiligten herstellen, was Marketingperformance in Ihrem Unternehmen bedeutet.
Wie Sie Performance richtig messen
Das Wesen des Performancemarketings besteht also in einer Gegenüberstellung von Kosten und Ergebnissen bis zu einer gewissen Grenze. Doch mit der bloßen Erfassung dieser Größen ist es noch nicht getan: Um später wirklich Handlungen ableiten zu können, ist eine gewisse Modularität der Performancemessung erforderlich. Darunter ist ein stufenweises Herunterbrechen einer Marketingkampagne in individuell buch- und beurteilbare Segmente zu verstehen. Die Performance dieser Teilbereiche kann dann separat beurteilt werden. Optimierungen und Learnings können dadurch zielgerichtet abgeleitet werden.
Damit Ihr Trackingsystem dies leisten kann, ist die erforderliche Trackingtiefe in den Trackingcodes abzubilden. Dabei hat sich eine mehrstufige Hierarchie der Marketingaktivitäten durchgesetzt, in der die Summe aller Elemente einer Ebene den darüber liegenden Knoten ergibt (siehe Abb. 3). In diesem Zusammenhang ist es besonders wichtig, dass die Hierarchie gut durchdacht aus den individuellen Anforderungen abgeleitet wird und anschließend unverändert bleibt. Nur dann sind Kennzahlen über längere Zeiträume konsistent auswertbar. Damit eine solche Erfolgsmessung bei den operativ Verantwortlichen nicht unnötig Zeit in Anspruch nimmt, ist eine sprechende Benennung oder bei großen Kampagnen auch eine systemseitige Unterstützung sinnvoll.
Wie sich die Zutatenliste für eine erfolgreiche Planung im Performancemarketing zusammensetzt
Durch ein modulares Tracking ist nicht nur eine granulare Bewertbarkeit und Steuerbarkeit der Marketingkampagnen möglich. Sie haben dadurch auch die Handhabe, Ihre zukünftigen Aktivitäten – auf einer aggregierten Ebene – bis zur eingangs besprochenen Zielvorgabe zu planen. Um eine Planung stemmen zu können, sind die nachfolgend näher beschriebenen Zutaten einzusetzen: Vorgaben, Vorjahre und Vorgehen
Die Vorgaben stellen neben dem KPI und der zugehörigen Investitionsgrenze das für den Planungszeitraum verfügbare Marketingbudget dar.
Aus den Vorjahren sind die für Ihr Geschäft kennzeichnenden KPI-Verläufe (Saisonmuster, Trends etc.) ebenso hilfreich wie Erfahrungswerte (Retourenquote, CLV etc.). Als besonders nützlich erweisen sich stets auch Kommentierungen von Vergangenheitswerten. Dabei reichen schon formlose Notizen aus, um sich die Ursache für besonders gute/schlechte Kennzahlenentwicklungen wieder ins Gedächtnis zu rufen und Verläufe der Vergangenheit für die Planung in diesem Kontext richtig zu bewerten.
Der erste Schritt in einem strukturierten Planungsvorgehen ist die Definition des Modularitätsgrades (siehe oben) und des zu planenden Zeitraums. Erfahrungsgemäß sind Planungszeiträume größer als sechs Monate mit einer hohen Unschärfe behaftet. Sollten Sie gezwungen sein, eine Vorhersage für solch lange Zyklen zu tätigen, kommt einer regelmäßigen Prognose (später mehr) eine noch größere Bedeutung zu.
Die eigentliche Planung erfolgt dann in mehreren Iterationen jeweils bis zur Erreichung der Zielvorgabe: Letzteres bedeutet, dass Sie einen Budgeteinsatz pro Modul maximal so weit einplanen, bis der KPI an die definierte Investitionsgrenze stößt. Anschließend nehmen Sie sich das nächste Modul vor. Haben Sie so einmal vollständig Ihre Marketingaktivitäten geplant, kann es erforderlich sein, noch einmal nachzuschärfen. So ist es beispielsweise sinnvoll, Budgets bei deutlichen Performanceunterschieden zwischen den einzelnen Modulen noch einmal zu verschieben. Diesen iterativen Prozess führen Sie so lange durch, bis für die Module eine ausreichende Homogenität hinsichtlich des KPI erreicht ist. Erst dann haben Sie Ihr Marketingbudget zum optimalen Wirkungsgrad verplant.
Beachten Sie jedoch auch die tatsächlichen Skalierungsmöglichkeiten Ihrer Marketingaktivitäten. Nicht jede Kampagne kann exakt bis an die Rentabilitätsgrenze ausgeweitet werden. Umgekehrt haben Sie mitunter nur indirekte oder langfristige Hebel in der Hand, sollten Sie feststellen, dass die Investitionsgrenze einer Kampagne bereits weit überschritten ist.
Um flexibel auf Marktpotenziale (wie unerwartet gute Kampagnenperformance, Erscheinen neuer Werbeformen, Wettbewerbsaktivitäten oder -schwächen) reagieren zu können, empfiehlt es sich, einen gewissen Budgetpuffer zurückzuhalten.
Wie Sie das Dilemma beherrschen, dass die Planung schon morgen veraltet ist
Leider tritt die Planung nur allzu selten wie erwartet ein. Deshalb besteht der Bedarf, die Planung ständig aktuell zu halten – man spricht von einer Prognose. Ausgangswert für die Prognose ist die Planung. Allerdings werden die bereits in der Vergangenheit liegenden Zeiteinheiten (Wochen/Monate) durch die Istwerte ersetzt. Unter Prognose versteht man die Anpassung der Planwerte für zukünftige Zeiteinheiten unter Einbeziehung der inzwischen neu gewonnenen Erkenntnisse. Die Prognose stellt also nichts weiter als eine fortgeschriebene Planung dar.
Zeitsparender und übersichtlicher ist dieser Prozess umzusetzen, wenn Sie ihn mithilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms abbilden. Eine Prognosedatei verfügt dann im einfachsten Fall über drei identisch nach den Planungsmodulen aufgebaute Tabellenblätter. Das Erste enthält die unveränderten Werte der Planung. Ein Zweites besteht aus den Istwerten für vergangene und den Prognosewerten für zukünftige Zeiteinheiten. Sofern Sie sich zu keiner Prognose veranlasst sehen, bleibt der Planwert erhalten. Auf dem dritten Tabellenblatt können Sie anschließend die Prognosewerte des zweiten Blattes mit den Planwerten ins Verhältnis setzen. Mit dieser simplen Methode wird unmittelbar ersichtlich, wo und bei welcher Kennzahl sich eine Veränderung ergibt (siehe Abb. 6).
So ist jederzeit transparent, wie sich die Gesamtprognose für das Marketing entwickelt. Kann im Rahmen der Investitionsgrenzen mehr oder weniger Budget in Werbung investiert werden, als zur Verfügung steht, stellt sich automatisch und rechtzeitig die Frage nach dem Umgang mit dieser Entwicklung. Eventuell ist es nun an der Zeit, die zurückgehaltenen Budgetpuffer zuzuweisen oder aber für andere Maßnahmen im Unternehmen zur Verfügung zu stellen.
In gleicher Weise treten Über- oder Unterschreitungen Ihres KPI zutage. Auch hier werden Sie förmlich mit der Nase darauf gestoßen – ein böses Erwachen, wenn es bereits zu spät ist, wird ausgeschlossen. Sie erkennen auf den ersten Blick, wo Sie in die Analyse einsteigen müssen, wo es gegenzusteuern gil, oder wo Learnings für die Zukunft zu generieren sind.
Wie das Performancemarketing eine Symbiose scheinbarer Gegensätze herstellt
Performancemarketing ist also immer auch ein Stück Marketingcontrolling. Gleichwohl bedarf es keines Mathematikstudiums, um ein guter Online-Marketer zu sein. Sofern die geschilderten Best Practices beachtet werden, genügen schon ein durchschnittliches analytisches Verständnis und ein wenig Spaß am Arbeiten mit Zahlen, um der Sache Herr zu werden. So verbindet das Performancemarketing erstmals Disziplinen, die bisher unvereinbar schienen: das Kreative bei der Konzeption neuer Marketingformen und das Analytische in der Erfolgsbewertung. Beides gleichermaßen kommt bei der strategischen Analyse des Marktes und der Entscheidung über die Weiterentwicklung der Marketingaktivitäten in dem dynamischen Markt zum Tragen.
Eines sei jedoch noch hinzugefügt für den Fall, dass Ihnen Marketingplanung noch immer wie eine eigene Wissenschaft erscheint: Planung ersetzt letztendlich Zufall durch Irrtum. Insofern lassen Sie im Zweifel beruhigt auch einmal fünfe gerade sein.