Limitierungen von Sichtbarkeitsindizes und neue Lösungsansätze

Sören Bendig
Sören Bendig

Sören Bendig ist CEO von Audisto und ein erfahrener Vertriebs- und Marketingexperte, der seit vielen Jahren Produktinnovationen für SaaS-Lösungen in der Bereichen Big Data, Marketing Intelligence und Digital Analytics lenkt. Er setzt sich leidenschaftlich für automatisiertes Technical Health Monitoring bei Enterprise-Kunden ein. Sören spricht regelmäßig auf Konferenzen und Veranstaltungen über relevante Strategien für Digital Analytics, Search und neue Trends im digitalen Marketing.

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Sichtbarkeitsindizes in Suchmaschinen sind bei Online-Marketern und SEOs gleichermaßen beliebt und für die Beurteilung einer Ausgangsposition und der späteren eigenen Arbeit unverzichtbar. Für einen schnellen Blick ermöglichen sie eine erste Aussage über die Domainperformance im organischen Suchmaschinen-Bereich und ein schnelles Benchmarking mit der Konkurrenz. Dabei wird aber oft genug die Frage vernachlässigt, wie genau der verwendete Index das individuelle Geschäftsmodell tatsächlich abbildet und für die eigene Branche eine belastbare Vergleichskennzahl darstellt. Sören Bendig, Geschäftsführer des SEO-Tool-Herstellers SEOlytics, empfiehlt daher eine etwas differenzierte Sichtweise auf diese wichtige Kennzahl.

Seit den Anfängen der SEO-Tool-Entwicklung fokussieren sich allgemeingültige Sichtbarkeitsindizes auf Branchen, deren Geschäftsfeld primär im Internet liegt. Als aggregierte Kennzahlen liefern sie einen schnellen Überblick über die Entwicklung der Domain im organischen Suchmaschinenbereich und ermöglichen einen regelmäßigen Vergleich mit den Wettbewerbern. Aus den Daten lässt sich ableiten, ob die letzten SEO-Bemühungen Früchte getragen haben oder die eigene Domain eventuell von einem (Teil-)Penalty getroffen und abgestraft worden ist.

Der erste Index wurde Anfang 2008 berechnet. Damals wie heute beruhen alle vergleichbaren Kennzahlen auf Keywordsets, die vom jeweiligen Tool-Entwickler als Referenzpanel ausgewählt werden. Einerseits ist die Intention eines solchen Panels, einen breiten Querschnitt durch alle Branchen darzustellen, damit der Visibility Rank für möglichst viele Domains eine Gültigkeit besitzt. Andererseits sollen sie nur solche Keywords beinhalten, die häufig gesucht werden bzw. kommerziell relevant sind.

Dieses Konzept machte in den Anfängen der SEO-Tool-Entwicklung durchaus Sinn, denn die Daten sollten für möglichst viele Nutzer verwendbar sein. Doch die Anforderungen haben sich geändert. Längst ist Suchmaschinenoptimierung nicht mehr nur ein Thema für einen „elitären“ Kreis großer Portale, die ein breites Themenspektrum abdecken und eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen ansprechen – wie beispielsweise geizhals.de oder idealo.de.

Welche Geschäftsmodelle können Sichtbarkeitsindizes nicht abbilden?

Inzwischen ist SEO auch in der Masse der Websitebetreiber angekommen. Unzählige Online-Shops, Blogs und sonstige Internetseiten optimieren ihr Angebot nach SEO-Kriterien, darunter viele Unternehmen mit sehr spezifischen Geschäftsmodellen und folglich sehr speziellen Suchbegriffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sichtbarkeitsindex gerade solche Geschäftsmodelle umfassend abbildet, ist relativ gering, denn viele für diese Unternehmen relevanten Suchbegriffe werden in den Referenzkeywordsets kaum enthalten sein. Dies trifft insbesondere auf Shops mit Nischenprodukten zu, beispielsweise auf einen Shop für Minigolf-Equipment, dessen Verkaufsschlager und Top-Suchbegriffe Keywords wie „Schlägergummi“ und „Ballaufnehmer“ sind. Aber auch Websites aus dem B2B-Bereich sind davon betroffen. So werden für allgemeingültige Sichtbarkeitsindizes kaum Keywords aus Branchen wie z. B. dem Maschinen- und Anlagenbau berücksichtigt. 

Zusammengefasst bedeuten diese Limitierungen im Sichtbarkeitsindex: Je weiter sich ein Geschäftsmodell in einer Nische oder im B2B-Bereich befindet, desto genauer muss überprüft werden, wie groß die Übereinstimmung der Keywordauswahl mit der eigenen Branche ist. Diverse Tools bieten inzwischen Möglichkeiten, dies zu überprüfen, sodass der Nutzer erkennen kann, ob seine wichtigen Keywords zu 70 Prozent oder nur zu 30 Prozent erfasst werden.

Überlegungen für genauere Sichtbarkeitskennzahlen

Wie kann der Websitebetreiber seine Projekte besser abbilden bzw. im Blick behalten? Genauere Kennzahlen müssen her – und zwar Kennzahlen, welche die Website bzw. die eigenen Produkte oder Dienstleistungen umfassend darstellen und überwachen können. Was liegt also näher, als eigene Sichtbarkeitskennzahlen auf den für den jeweiligen User spezifischen Keywords zu erstellen, um den SEO-Erfolg zu überprüfen? Das heißt, der User selbst entscheidet, welche Suchbegriffe für seine Branche relevant sind, und passt den Visibility Rank zu 100 % auf die eigene Domain und seine Wettbewerber an. Von den meisten Deutschen SEO-Tool-Entwicklern wird hier bereits Abhilfe angekündigt, da sie den Wunsch nach „schärferen“ Kennzahlen vernommen haben. Ein solches Keywordset kann z. B. aus dem eigenen Web-Analyse-Tool stammen und die Suchbegriffe beinhalten, über die man bereits Traffic erhält. Zudem sollte es um Begriffe ergänzt werden, über die man zukünftig gern Traffic erhalten möchte. Da die konkrete Zusammenstellung der wichtigsten Keywords einige Websitebetreiber immer noch vor Probleme stellt, im folgenden Absatz ein paar Anregungen für die richtige Auswahl.

Exkurs: Relevante Keywords finden

Um die wesentlichen Keywords für die eigene Website zu finden, hat sich folgendes Vorgehen bewährt: 

  • Eigenes Brainstorming inkl. Analyse des Produktportfolios
  • Ausführliche Konkurrenzanalyse
  • Thematische Kategorisierung und Bereinigung des Sets
  • Zusätzliche Anreicherung z. B. mithilfe des Google-AdWords-Keyword-Tools
  • „Aktionen“ wie „ausrüstung für minigolf kaufen“ identifizieren
  • Priorisierung anhand von Conversion oder Suchvolumen

Bei einem eigenen Brainstorming ist es wichtig, sich möglichst gut in den Suchenden hineinzuversetzen. Das bedeutet, die „Scheuklappen“ abzulegen und keiner „Betriebsblindheit“ zu erliegen, denn Fachbegriffe und Branchenjargon, die im Unternehmen täglich benutzt werden, sind dem Suchenden in der Regel oft nicht geläufig und werden kaum Verwendung finden. Er wird nach einer „Waschmaschine“ suchen und niemals ein Angebot finden, das auf den fachlich korrekten Branchenbegriff „Vollwaschautomat“ optimiert wurde.

Zudem muss das eigene Angebot ausführlich analysiert werden. Aus allen Produkten und Informationen werden die relevanten Begriffe extrahiert, entweder „per Hand“ oder über die Produktdatenbank des Shops bzw. die Content- oder Artikeldatenbank.

Anschließend kann auch das Angebot der Konkurrenz analysiert werden, sofern diese bereits besser aufgestellt ist. Automatisierte Crawler, wie beispielsweise Screaming Frog SEO Spider, eignen sich insbesondere für die Keywordrecherche bei bereits suchmaschinenoptimierten Websites. Nach der Eingabe der Domain des Konkurrenten ruft der Crawler alle Seiten dieser Website ab und speichert SEO-relevante Informationen wie den HTTP-Statuscode, den Titel der Seite, Meta-Informationen usw. Ist die eingegebene Website bereits SEO-optimiert, so lassen sich die wichtigen Keywords relativ leicht erkennen, da sie direkt im Titel der Seite stehen. Diese Keywords können im Screaming Frog einfach extrahiert werden, indem man auf den Reiter „Page Titles“ wechselt, wo die Titel aller Seiten einfach z. B. in Excel kopiert werden können.

Ranken zwei Websites zu ähnlichen Keywords, bedeutet dies jedoch nicht zwangsläufig eine Konkurrenzsituation. Erst wenn die Websites ein ähnliches (Teil-)Angebot haben, sind sie als Wettbewerber zu betrachten. Bei näherer Betrachtung eines Minigolf-Equipment-Shops wird dies deutlich: Mit ähnlichen Keywords werden immer wieder Websites ranken, die Golf-Equipment verkaufen. Sie stehen jedoch nicht in direkter Konkurrenz, da sie nicht anbieten, was ein potenzieller Minigolf-Kunde sucht.

Die bis dahin identifizierten Keywords sollten nun durch verwandte Begriffe und Synonyme angereichert werden. Dabei kann beispielsweise das Google-AdWords-Keyword-Tool als zusätzlicher Ideengeber herangezogen werden und helfen, die Betriebsblindheit zu umgehen. Nach Eingabe eines beliebigen Suchbegriffs listet dieses Keyword-Tool eine Reihe von Vorschlägen für verwandte Begriffe und Synonyme auf. Zusätzlich wird das globale und lokale Suchvolumen ausgegeben sowie eine Angabe darüber, wie hoch der Wettbewerb zu diesem Keyword ist.

Insbesondere bei stark produktbezogenen Websites sind als Keywords auch Kombinationen aus Produktnamen mit zusätzlichen Begriffen wertvoll. „Kaufen“, „bestellen“, „online bestellen“ oder „günstig“ sind häufig verwendete Beispiele dafür. Als transaktionale Keywords – d. h. Begriffe, die darauf schließen lassen, dass der Suchende eine bestimmte Aktion durchführen möchte – haben sie in der Regel eine vielfach höhere Conversion-Rate. Genau das macht Besucher über diese Begriffe so wertvoll. Auch die Aufnahme weiterer Produktvarianten wie „Golfschläger schwarz“, „Golfschläger rot“ und „Golfschläger blau“ kann eine gute Ergänzung sein.

Als Letztes sollte bei der Recherche nach relevanten Keywords immer noch zusätzlich die „Konversionsträchtigkeit“ der einzelnen Suchbegriffe mit beachtet werden. Durch die Bewertung mithilfe von Suchvolumen oder CPC etc. kann eine bessere Auswahl der Suchphrasen getroffen werden.

Use-Case: Eigener SEO-Branchenindex für Minigolf-Equipment

Im folgenden Beispiel, bezogen auf einen Minigolf-Equipment-Shop, werden die Unterschiede zwischen einem individuellen Branchenindex (auf eigenen Keywords) gegenüber einem allgemeinen Sichtbarkeitsindex deutlich. Als Basis für einen Vergleich werden anfänglich die allgemeingültigen Sichtbarkeitsindizes von Searchmetrics, Sistrix und SEOlytics von vier miteinander konkurrierenden Minigolf-Equipment-Shops herangezogen. Dabei ergeben sich folgende – deutlich voneinander abweichende – Graphen:

Dass die Indizes in den Tools so ungleich ausfallen, liegt an den unterschiedlichen Referenzkeywordsets der Tools. Da die Tool-Entwickler die für Minigolf-Equipment-Shops relevanten Suchbegriffe verschieden stark berücksichtigen und gewichten, kann es in Nischenbranchen zu extrem unterschiedlichen Ausprägungen kommen. Dies zeigt: Für die Nischenbranche „Minigolf-Equipment“ ist die Aussagekraft der Sichtbarkeitsindizes deutlich eingeschränkt.

Werden die Wochendaten miteinander verglichen, ergibt sich nachfolgende Datenbasis als Grundlage für den Vergleich, wobei es sich insgesamt nur um 31 einzigartige Keywords handelt und als Schnittmenge zwischen den Tools nur fünf Keywords bei allen Anbietern gemeinsam enthalten sind.

 

Domain

Sistrix

SM Essentials

SEOlytics

mg-minigolf.com

19

8

9

minigolfworld.com

21

10

16

minigolfrothe.de

13

5

8

minigolfshop.ch

11

3

5

 

Es drängt sich die Frage auf: Was ist ein realistisches Bild für die SEO-Sichtbarkeit in dieser Branche? Um ein entsprechendes Keywordset zusammenzustellen, wurde der oben beschriebene Prozess zur Keywordrecherche angewendet. Das zusammengestellte Keywordset beinhaltet über 2.500 minigolfspezifische Keywords – von „3-er-Ballset billig“ bis „Zubehör Minigolf-Shop“ und wurde ohne Zugriff auf das Webanalyse-Tool erstellt.

Beispielkeywords aus dem Minigolfset

ausrüstung für minigolf

3-er ballset billig

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grüne minigolftaschen

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schläger sets minigolf vergleichen

Abbildung 6: Beispielkeywords für Minigolf-Equipment

Eine Möglichkeit zum weiteren Vorgehen wäre jetzt das Exportieren von Keyword-Ranking-Daten aus dem Monitoring-Bereich eines Tools heraus und die Weiterverarbeitung in Excel, um sich dort einen eigenen Index zu berechnen und die Shops, bezogen auf ihre Rankings, in eine Rangfolge zu bringen. Mit etwas VBA-Programmiergeschick ließe sich dies auch automatisieren und so eine genauere Relation berechnen bzw. eine weitere Gewichtung einbauen.

Komfortabler ist es, die 2.500 branchenrelevanten Begriffe in einen eigenen Sichtbarkeitsindex direkt im SEO-Tool aufzunehmen bspw. im Daily Visibility Rank (DVR) in SEOlytics. Dieser wird auf Tagesbasis errechnet und berücksichtigt Position, Suchvolumen und CPC. Hier ergibt sich, bezogen auf die ursprünglich verglichenen Sichtbarkeitskennzahlen, ein entsprechend abweichendes Bild:

Im Vergleich zeigt sich, dass sich die Rangfolge auf der jetzt weitaus genaueren Datenbasis ganz anders darstellt als ursprünglich und zudem auch keine so starken Schwankungen zu sehen sind wie auf der allgemeinen Datenbasis. Im Gegenteil scheint die Branche zumindest im März doch ein stabiles Bild bezogen auf die SEO-Performance aufzuweisen.

Mit dem Daily Visibility Rank lässt sich zudem auch die Sichtbarkeit bei Bing auswerten. Auch hier ergeben sich interessanterweise ein anderes Bild und eine andere Reihenfolge:

Die veränderte Reihenfolge bei Bing lässt darauf schließen, dass hier offenbar andere Rankingfaktoren eine Rolle spielen als bei Google bzw. dass diese unterschiedlich gewichtet werden. Interessant ist auch, dass die Resultate offenbar größeren Schwankungen unterworfen sind, als dies bei Google der Fall ist.

Wie in diesem Use-Case deutlich wurde, haben allgemeine Sichtbarkeitsindizes Limitierungen, deren sich der Nutzer bewusst sein sollte: Sie sind ihrem Prinzip nach nicht in der Lage, das Geschäftsmodell einer Website vollständig abzubilden, sondern dienen besser nur als erster Indikator zur Beurteilung der Performance einer Domain in den organischen Suchresultaten. Man sollte immer mit einem wachen Auge die Datenbasis überprüfen und hinterfragen, ob diese für das eigene Geschäftsmodell ausreichend genau ist. Zur verlässlichen und dauerhaften Analyse ist ein intelligent zusammengestellter eigener SEO-Branchen-Index sicher die exaktere Lösung und schafft einen besseren Überblick unter zusätzlicher Beobachtung der Wettbewerber. 

Er bietet eine echte Arbeitserleichterung, indem er täglich in einer aggregierten Kennzahl einen vollständigen Überblick zur Ranking-Entwicklung gibt. Zukünftig wird sich dieser Trend in Richtung Individualisierung weiter fortsetzen, beispielsweise durch die individuelle Gewichtung von Keywords durch den User oder die wahlweise Berücksichtigung von Universal-Search-Resultaten.