Wenn eine Stripperin wegen eines Typo3-Experten keine Aufträge mehr bekommt, dann ist das nicht nur kurios, sondern auch kostspielig. Und das alles wegen eines Fehlers in der robot.txt. Ein Fall, der zeigt: Dienstleister können für Fehler im SEO- und SEM-Bereich haftbar gemacht werden. Während die Erwartung der Kunden steigt, hinkt die Rechtsprechung dem Fortschritt hinterher. Die Folge sind unkalkulierbare Risiken, für die Online-Marketer teuer zur Kasse gebeten werden können.
Von einer Stripperin in Haftung genommen:
Wenn der SEO die Hosen runterlassen muss
Schadenfall im SEO-Bereich: Stripperin wird für keine Shows gebucht
Jeder SEO kennt die robot.txt – und weiß, welche negativen Folgen eine fehlerhafte Änderung in der Datei für das Ranking einer Internetseite haben kann. Diese Erfahrung musste auch ein Typo3-Experte machen.
Von einer Stripperin, für die er Jahre zuvor die Website gestaltet hatte, war er beauftragt worden, diese auf einen anderen Server umzuziehen. Dabei machte er einen kleinen Schreibfehler (ein „Slash“ zu viel) in der robot.txt.
Es kam, wie es kommen musste: Die Website wurde nicht mehr von Google indexiert, die Stripperin fast vier Monate lang für deutlich weniger Shows gebucht. Am Ende waren das nach ihrer Aussage Umsatzeinbußen in Höhe von rund 6.500 Euro – eine Summe, die sie vom SEO als Schadenersatz zurückforderte.
Risiko: SEO-/SEM-Experten können in Haftung genommen werden
Der Schadenfall zeigt beispielhaft, dass Online-Marketer für Fehler im Zusammenhang mit SEO und SEM in Haftung genommen werden können.
Dabei sind Schadenersatzforderungen, teure Abmahnungen und langwierige Rechtsstreitigkeiten immer noch Themen, die Suchmaschinenoptimierer und Suchmaschinenmarketer meiner Erfahrung nach bislang unterschätzen. Schließlich würden sie lediglich beratend agieren, indem sie etwa einen Online-Shop durch geschickt platzierte AdWords- oder AdSense-Anzeigen nach vorn bringen. Und wo sollten dabei schon haftungsrechtliche Risiken lauern?
Was ist ein „Vermögensschaden“ genau?
Eine Vermögensschadenhaftpflicht ist eine besondere Art der betrieblichen- bzw. beruflichen Haftpflichtversicherung. Sie trägt dem hohen Vermögensschadenrisiko bestimmter Berufsgruppen Rechnung und sichert gegen finanzielle Nachteile (versicherungstechnisch = Vermögensschaden) ab, die einem Dritten i. d. R. durch schuldhaftes Verhalten zugefügt werden.
Als Vermögensschaden werden versicherungsrechtlich Situationen bezeichnet, bei denen weder eine Person noch eine Sache unmittelbaren Schaden erleidet, jedoch i. d. R. durch schuldhaftes Verhalten einem anderen ein finanzieller Schaden zugefügt wird. Finanzielle Schäden sind etwa Ersatzansprüche durch entgangenen Gewinn, entgangene Lizenzgebühren durch eine Urheberrechtsverletzung, aber auch Ersatzansprüche wegen finanzieller Verluste z. B. aufgrund einer Falschberatung.
Ein gefährlicher Irrglaube, denn während Erwartungshaltung und Kenntnisstand der Kunden gestiegen sind, was Dienstleistungen im Bereich SEO und SEM betrifft, hinkt die Rechtsprechung dem technologischen Fortschritt teilweise hinterher. Und die Praxis zeigt: Am Ende ist es meist der Dienstleister, der den Kopf hinhalten muss.
Das zeigen auch diese anderen echten Schadenfälle:
Schadenfall im SEM-Bereich: Markenrechte durch Keyword verletzt
Von einer Firma wurde ein Freiberufler, der Dienstleistungen im Bereich SEO, SEM und Webdesign anbietet, damit beauftrag, den Traffic auf deren bestehenden Online-Shop zu erhöhen.
Um den Online-Shop besser in den Suchmaschinen zu platzieren, schaltete der SEO-/SEM-Experte eine vierzeilige Google-AdWords-Anzeige. Das Problem: Darin verwendete er ein Keyword, das sich Jahre zuvor bereits eine andere Firma als Wortmarke hatte schützen lassen.
Der Markeninhaber war davon wenig begeistert. Er mahnte den Online-Shop ab, der wiederum den Freiberufler in Regress nahm. Auf Basis eines Streitwertes von 60.000 Euro wurden Anwaltskosten von mehr als 6.000 Euro gefordert.
Hinweis: Zwar hat der EUGH in seiner Entscheidung C-236/08 seitdem geurteilt, dass auch geschützte Markennamen eines anderen Unternehmens grundsätzlich als Keywords in AdWords-Anzeigen genutzt werden können, jedoch mit einer entscheidenden Einschränkung: Die Anzeige muss so gestaltet sein, dass es keine Verwechslung zwischen Werbendem und Markeninhaber gibt. Eine solche Verwechslung in einer Anzeige von gerade mal 70 Zeichen allerdings auszuschließen, ist in der Praxis nicht so einfach.
Schadenfall im AdSense-Bereich: Account von Google gesperrt
Bei diesem Fall geht es um einen Händler, der sein Geld mit Domainhandel verdient – und eine freiberufliche Webworkerin, die er damit beauftragt hatte, SEO-Texte für seine Pages zu schreiben. Das Ziel: Möglichst viele User auf die Seite locken, die auf die dort geschalteten AdSense-Anzeigen klicken.
Doch Google machte einen Strich durch die Rechnung: Es sperrte den AdSense-Account des Domainhändlers und begründete dies mit dem Verdacht auf „Unregelmäßigkeiten“. Mittels Fragebogen forderte der Konzern eine ausführliche Stellungnahme des Domainhändlers – der sie schnurstracks an die Freiberuflerin weiterleitete, die er für die Domainsperrung verantwortlich machte.
Und plötzlich standen nicht nur die Wertentwicklung der Domain und die Einnahmen durch Anzeigen auf dem Spiel, sondern auch die freiberufliche Webworkerin in der Schusslinie.
Haftpflicht muss „reine Vermögensschäden“ absichern
Die Schadenfälle zeigen sehr plastisch, wie kleine Fehler oder Unachtsamkeiten im SEO- und SEM-Bereich schnell zu finanziellen Nachteilen des Kunden und damit zu Ansprüchen gegen den SEO-Experten führen können.
Diese finanziellen Nachteile (versicherungstechnisch spricht man dabei von reinen Vermögensschäden) sind etwa, wie im ersten Beispiel, Umsatzausfall durch fehlende Suchmaschinentreffer. Oder es sind – wie im zweiten Beispiel – die Kosten (im Wesentlichen Anwaltskosten) der Abmahnung und Unterlassungserklärung, die der Kunde aufgrund der Urheberrechtsverletzung erhalten hat – und die er sich nun vom Verursacher, dem SEO Experten, zurückholt.
Zwar haftet der SEO-Experte lediglich „indirekt“, wenn der Kunde die Abmahnung erhält – das bedeutet jedoch nicht, dass er kein Haftungsrisiko trägt: Auch wenn der SEO nicht direkt in Anspruch genommen wird, trägt er letztendlich die Kosten für den Schaden, da sich der Kunde natürlich den finanziellen Schaden ersetzen lässt (juristisch: in Regress nimmt).
Eine solche indirekte Inanspruchnahme ist häufig der Fall, wenn Suchmaschinenoptimierung und Suchmaschinenmarketing als Dienstleistung erbracht werden und Sie die Webseiten, Web-Shops bzw. Portale nicht selbst betreiben.
Da viele SEOs jedoch auch eigene Webseiten z. B. für das Linkbuilding betreiben, besteht zudem die Gefahr, Rechtsverletzungen (z. B. Verstöße gegen Markenrechte, Urheberrechte, Persönlichkeitsrechte, Namensrechte, Wettbewerbsrechte oder Lizenzrechte) direkt zu begehen und dafür haftbar gemacht zu werden. Auch dabei handelt es sich versicherungstechnisch um (reine) Vermögensschäden.
Vermögensschäden können Webworker etwa auch durch Programmierfehler, die Weitergabe virenbehafteter Dateien, allgemeine Beratungsfehler oder die Überschreitung von Deadlines verursachen.
Daher ist es immanent wichtig, dass eine spezifische Berufshaftpflicht für Webworker und SEO-Experten (am Markt auch als Media-Haftpflicht bezeichnet) eine Vermögensschadenhaftpflicht beinhaltet.
Professionelle Schadenabwehr: Der passive Rechtsschutz
Doch eine gute Vermögensschadenhaftpflicht sollte nicht nur die Schadenzahlung übernehmen, sondern bei Bedarf auch die professionelle Schadenabwehr. Spätestens seit dem „Abmahnwahn“ ist bekannt, dass nicht jede Abmahnung, die ins Haus flattert, auch unbedingt gerechtfertigt ist.
Daher überprüft der Berufshaftpflichtversicherer auf seine Kosten, ob und in welcher Höhe der Dienstleister überhaupt für den entstandenen Schaden verantwortlich gemacht werden kann oder ob eine Abmahnung rechtmäßig ist. Kosten, die übernommen werden, sind z. B. Anwalts-, Sachverständigen-, Zeugen-, Gerichts- und Reisekosten. Da der Haftpflichtversicherer die Kosten wie eine Rechtschutzversicherung übernimmt, spricht man versicherungstechnisch hier auch vom „passiven Rechtsschutz“.
Hinweis: Der passive Rechtsschutz in der Haftpflichtversicherung hat nichts mit der aktiven Durchsetzung eigener Ansprüche zu tun. Die Leistung gilt allein der Abwehr fremder Ansprüche – also für Abmahnungen, die Sie erhalten (nicht für Abmahnungen, die Sie aussprechen möchten).
Checkliste: Kriterien für Vermögensschadenhaftpflicht im SEO- und SEM-Bereich
Welche besonderen Kriterien eine Vermögensschadenhaftpflicht für SEO-Experten und Webworker berücksichtigen sollte, zeigt diese kurze Checkliste:
- Unbedingt Versicherungsschutz für reine Vermögensschäden.
- Dabei sollten auch Vermögensfolgeschäden wie z. B. eine Schadenersatzforderung, vergebliche Aufwendungen oder ein Umsatzausfall des Kunden als Folge einer Nichterfüllung- oder Schlechterfüllung der Leistungszusagen gedeckt sein.
- Wichtig: Versicherungsschutzbei Rechtsverletzungen, insbesondere Verstößen gegen Markenrechte, Urheberrechte, Persönlichkeitsrechte, Namensrechte, Wettbewerbsrechte, Lizenzrechte, Datenschutzgesetze – auch bei grober Fahrlässigkeit.
- Keine Sublimite (reduzierte Versicherungssummen) für Rechtsverletzungen.
- Rechtsverletzungen sollten unabhängig von einer vorherigen rechtlichen Prüfung durch geeignete Fachkräfte (z. B. Anwälte) versichert sein.
- Versicherungsschutz sollte neben der gesetzlichen Haftung auch Ansprüche im Bereich der vertraglichen Haftung übernehmen, da sich im SEO-Bereich nicht nur Ansprüche durch die gesetzliche Haftung, sondern auch durch darüber hinausgehende vertragliche Leistungszusagen ergeben können.
- Die Versicherungsbedingungen sollten keine versteckten „Rückzugsmöglichkeiten“ wie die sogenannte Experimentier- und Erprobungsklausel oder die „Stand der Technik“-Klausel beinhalten, welche die Leistung des Versicherers von angemessenen Programmtests oder vom Einhalten des nicht genauer definierten „Standes der Technik“ abhängig machen.
- Auch Leistungsverzögerungen sollten in jedem Fall mitversichert sein.
- Räumlicher Geltungsbereich: Die Vermögensschadenhaftpflicht sollte in jedem Fall Schädenin Europa und der Schweiz – je nach Tätigkeitsschwerpunkt auch weltweit – anbieten.