Die Fans als Social Newsdesk

Christian J. Papay
Christian J. Papay

Christian J. Papay und Dr. Leonard Landois „boosten“ gemeinsam Würzburg. Ihr Konzept eines „Social Newsdesk“ hat auch überregional schon Interesse hervorgerufen. Auf internationalen Kongressen erläutern sie Markenbildung und geben Workshops für Unternehmen. Für diesen Erfolg wurden beide unlängst mit dem Ehrenpreis des Marketingclubs Mainfranken ausgezeichnet.

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Leonard Landois
Leonard Landois

Christian J. Papay und Dr. Leonard Landois „boosten“ gemeinsam Würzburg. Ihr Konzept eines „Social Newsdesk“ hat auch überregional schon Interesse hervorgerufen. Auf internationalen Kongressen erläutern sie Markenbildung und geben Workshops für Unternehmen. Für diesen Erfolg wurden beide unlängst mit dem Ehrenpreis des Marketingclubs Mainfranken ausgezeichnet.

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Facebook verändert nicht nur unser Nutzerverhalten, sondern in ganz beträchtlichem Maße auch die Anforderungen an die redaktionelle Arbeit. Egal, ob als Marketingkanal oder Reichweitenverlängerung für klassische Nachrichten genutzt, die Komplexität der sozialen Netzwerke erfordert eine neue Arbeitsweise. Dabei rücken die Fans der Seiten immer stärker in den Fokus, insbesondere dann, wenn diese wie bei einer Stadt nicht nur virtuell, sondern auch in der Realität die „Marke“ ausmachen. Sie bilden den Social Newsdesk.

Während viele Kommunen mittlerweile mühsam ihre Web-Aktivitäten mit dem gleichen Online-Handwerkszeug in die sozialen Netzwerke verlagern und sich mit einem vielfach veränderten Nutzungs- und Feedbackverhalten gegenübersehen, hat das junge Startup „Papay I Landois“ für die bayerische Universitätsstadt Würzburg schon 2008 eine eigene Facebook-Seite angelegt. Anfangs eher als sozial-psychologisches Experiment gedacht, entwickelten Papay & Landois in dieser Frühphase des sozialen Netzwerks ein soziales Medienmodell für Würzburg.

Info

Derzeit zählt die FB-Seite „Würzburg erleben“ mehr als 29.500 Fans. Einzelne Postings erreichen bis zu 15.000 Einzelpersonen. Im Wochenmittel werden bis zu 50.000 verschiedene Menschen erreicht, deren Großteil aus Würzburg und Mainfranken ist. Der Auftritt richtet sich vorrangig an die 18- bis 35-Jährigen, also jene begehrte Zielgruppe, die über Tageszeitungen, lokale Fernsehsender und City-Magazine nur noch schwer zu erreichen ist. Die Seite wird ausschließlich in der Freizeit betrieben.

Entscheidend für eine hohe Interaktionsquote, nachhaltig steigende Fanzahlen und eine stetig wachsende Reichweite ist die hohe Qualität der veröffentlichten Artikel, Fotos und Videos. Da hierfür aber kein redaktioneller Stab, keine festen Mitarbeiter oder eine für diese Zwecke benötigte professionelle technische Ausstattung vorhanden ist, müssen die notwendigen journalistischen und technischen Kompetenzen „sozialisiert“ werden. Um die Seite erfolgreich aufzubauen und zu betreiben, müssen also Inhalte sozial generiert werden, muss das Kollektiv an die Stelle des Einzelnen treten. Hinzu kommt der Mangel an Zeit. Sowohl die Seiteninhaber Papay und Landois als auch die Fans selber posten, kommentieren und liken in ihrer Freizeit. 

Social Newsdesk

Wie funktioniert dies aber? Wie lässt sich ein solcherart unabhängiger Informationsfluss einrichten, ohne auf das Modell der Leserreporter zurückgreifen zu müssen? Unser Ansatz unterscheidet sich organisatorisch, aber auch qualitativ, blickt nicht zurück, sondern nach vorn: Unser Newsdesk ist die Stadt selbst, also deren soziales Abbild auf Facebook, die Facebook-Seite „Würzburg erleben“. Hier strömen die Nachrichten ein, werden die Fotos unmittelbar gepostet, die Meinungsbeiträge gesichtet und Fernsehspots angesehen. Alles live, Realtime, dem Pulsschlag der Stadt und seiner Fans, also dem sozialen Organismus Stadt folgend.

Diese Struktur ermöglicht es, die Interessen der User nicht umständlich abzufragen, sondern abzulesen: Fotos der Sehenswürdigkeiten von begeisterten Touristen, Baustellenbilder von genervten Anwohnern, Staucollagen von humorvollen Pendlern. Nicht wir, sondern die Fancommunity selbst ergänzt passende Informationen aus Zeitungsartikeln oder Erfahrungsberichten, beantwortet weiterführende Fragen der Fans und stellt Vermutungen richtig: das Prinzip des Mitmachinternets oder besser bekannt als Web 2.0 im Einsatz für die virtuelle Identitätsbildung einer Stadt. Im sozialen Netzwerk ist es das Gefühl, Dinge zu teilen, das über Gemeinschaft entscheidet. Innerhalb von 7 Minuten 83 Likes für ein Bild, mehr als 400 Kommentare innerhalb weniger Stunden auf eine Frage – man teilt das gleiche Interesse, man ist Teil eines Kollektivs, Bestand-Teil von Würzburg.“

„Wir sind Situationisten. Wir schweifen digital umher und finden Themen.“

Es hätte Guy Debord sicherlich amüsiert, seine Philosophie des „Situationismus“ redaktionell aufgegriffen zu sehen. „Würzburg erleben“ arbeitet nach diesem Modell. Unsere Fans schweifen im Web umher, haben ein wachsames Auge auf Alerts und schreiben Blogs. Sie schicken uns die interessanten Themen und Nachrichten und wir verleihen ihnen Reichweite in die Zielgruppe der über klassische Medien nur noch schwer erreichbaren jungen und technikaffinen „Leser“. 

Social Magazine

Gerade deshalb haben wir uns mit einem großen Medienhaus zusammengetan, um eine neue Form des Magazinjournalismus zu entwickeln: das Social Magazin. Die Themen exzerpieren wir aus den Kommentaren unserer Fans. Einzig hier erscheint die journalistische Umsetzung als „Auftragsarbeit“ unserer Fans: Warum gibt es keinen ZARA in Würzburg? Warum sind Würzburger Parkhäuser einfach viel zu eng? 

„Entscheidend ist, Grund für das Gelesene zu sein.“

Die redaktionelle Schlagkraft der Mediengruppe Mainpost recherchiert Hintergründe, greift auf das hauseigene (Bild-)Archiv zurück, führt Interviews und lässt sich vom Diskussionsfluss der Fans inspirieren. Klar, dass jeder Beitrag geteilt, kommentiert und geliket werden kann. Doch das wirklich soziale Moment ist hier nicht wie beim Social Reader die virale Verbreitung des Gelesenen, das ist ein schöner Nebeneffekt, sondern viel wichtiger ist, selbst den Anstoß für das Gelesene gegeben zu haben.

Super-Admins

Natürlich braucht aber eine Seite mit knapp 30.000 Fans Betreuung. Nicht umsonst ziehen sich viele Behörden und Kommunen wieder aus Facebook zurück, da gerade hier die Öffnungszeiten sich nicht am 9 to 5 orientieren, sondern auf 24/7 maximiert sind. Wie kontrolliert man die Postings, die Meinungen, wie filtert man, was verbirgt oder löscht man? Ohne Handlungsleitfaden und Admin-Hierarchie ist es nicht möglich, eine solche Fanzahl beim Mitmachen zu begleiten und zu motivieren. Mittlerweile besteht ein Team aus „Supervisoren“, die zwar nichts posten, aber zumindest immer einen Blick auf die Seite haben, Heavy-User, die über WhatsApp oder Messenger die Super-Admins informieren, unerlaubte Werbe-Postings verbergen oder auch einfach nur die Netiquette sicherstellen. Denn eines findet sich nicht auf unserer Seite: Laisser-faire. 

Plattform für Ideen

Zunehmend interessieren sich nun auch Partner aus der Wirtschaft und Institutionen für die über unsere Seite mögliche Reichweitenverlängerung. Die FB-Seite fungiert hier mittlerweile als Trägerplattform unter anderem für Kampagnen der Universität Würzburg, der Sparkasse Mainfranken Würzburg, des Cinemaxx Würzburg, des internationalen Mozartfestes, der Fachkräftesuche u. v. m. Seit vergangenem Jahr haben wir zudem das Branchenverzeichnis „CityNavi“ als eigene App auf unserer Seite online gestellt, ein virtueller 360-Grad-Stadtrundgang komplettiert das Angebot aus Sicht des Städtetourismus. 

Mit dem CityNavi, Gelbe Seiten 2.0, wurde Anfang des Jahres sogar eine eigene Applikation (App) in den Facebook-Auftritt für Würzburg programmiert, die eine Unternehmenssuche auf FB erlaubt.

Speziell für alle Fans von Würzburg, die als Tourist oder Gast nach Würzburg kommen, gibt es einen virtuellen 360-Grad-Rundgang durch die Stadt. So kann man sich immer und überall an Würzburg erfreuen.