Der Bundesgerichtshof (BGH) hat vor Kurzem die jahrzehntelang umstrittene Frage gerichtlich geklärt, ob der administrative Ansprechpartner einer Domain (Admin-C) für Rechtsverstöße haftet. Die Richter beantworten die Frage differenziert: Grundsätzlich keine Haftung, aber unter bestimmten Umständen dann doch …
Der Admin-C haftet doch (nicht)!
1. Die Problemsituation
Immer wieder kommt es in der täglichen Internetpraxis vor, dass eine DE-Domain mit rechtswidrigen Inhalten von einer ausländischen Person betrieben wird.
Beispiel: Domain xy.de ist eine klassische Marken-Vertipper-Domain wie mircosoft.de. Oder auf der Domain finden sich geklaute Content-Texte.
Häufig ist es so, dass der Domaininhaber sich hinter einer ausländischen Scheinfirma versteckt und somit für die deutschen Gerichte nicht greifbar ist. Aber der technische Ansprechpartner, der sogenannte Admin-C, sitzt in Deutschland. Kann nun wenigstens der Admin-C in Anspruch genommen werden?
2. Die bisherige Rechtsprechung
Zunächst einmal gilt es zu unterscheiden: Zum einen geht es um die Konstellation, dass der Domainname an sich Rechte Dritter verletzt. zum anderen darum, dass die unter der Domain abrufbaren Inhalte rechtswidrig sind.
a. Rechtswidrige Domaininhalte:
Zu dieser Konstellation liegen nur vereinzelt Entscheidungen vor. So hat das Landgericht Frankfurt a. M. in einer älteren Entscheidung (Urt. v. 28.03.2003 - Az.: 3-12 O 151/02) die Mithaftung des Admin-C bejaht, wenn das Impressum der Webseite fehlerhaft ist. Bei dieser Entscheidung gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass der Admin-C zugleich auch gesellschaftsrechtlich mit dem Domaininhaber verbunden war. Das Landgericht Berlin sieht dies ähnlich für die Fälle der unverlangten Werbe-E-Mail-Zusendung. Hier haben die Berliner Robenträger ebenso eine Haftung bejaht, wenn der Admin-C als Verantwortlicher für den streitgegenständlichen Newsletter angegeben wird (LG Berlin, Urt. v. 16.05.2002 - Az.: 16 O 4/02; Beschl. v. 26.09.2005 - Az.: 16 O 718/05). Das Landgericht Bonn (Urt. v. 23.02.2005 - Az.: 5 S 197/04) geht sogar noch einen Schritt weiter und bejaht ausdrücklich auch die Haftung des Admin-C für den wettbewerbswidrigen Inhalt einer Domain, ohne dass der Admin-C weiter in Erscheinung tritt. Dieser Ansicht folgt auch das Landgericht Hamburg in zwei Entscheidungen (Urt. v. 12.08.2003 - Az.: 312 O 340/03; Urt. v. 02.03.2004 - Az.: 312 O 529/03). In der rechtswissenschaftlichen Literatur hingegen wird diese Ansicht ganz überwiegend nicht geteilt. Vielmehr soll danach eine Haftung nur dann infrage kommen, wenn der Admin-C entweder noch zusätzliche Handlungen neben seiner bloßen Admin-C-Stellung vornimmt (z. B. Verantwortlicher des Newsletters oder Gesellschafter der Firma) oder die Rechtswidrigkeit der Web-Inhalte so offensichtlich ist, dass sie sich ihm hätte aufdrängen müssen.
b. Rechtswidriger Domainname:
Die meisten, bislang veröffentlichten Urteile beziehen sich hingegen auf die Konstellation, dass der Admin-C wegen einer kennzeichenrechtlichen Verletzung durch den Domainnamen in Anspruch genommen wird. In der instanzgerichtlichen Zivilrechtsprechung ist außerordentlich umstritten, ob und in welchem Umfang der Admin-C für die Inhalte einer Seite zivilrechtlich als Mitstörer haftet. Das Problem hängt an Punkt VIII. der DENIC-Domainrichtlinie. Dieser lautet:
„Der administrative Ansprechpartner ist die vom Domaininhaber benannte natürliche Person, die als sein Bevollmächtigter berechtigt und gegenüber DENIC auch verpflichtet ist, sämtliche die Domain betreffenden Angelegenheiten verbindlich zu entscheiden. (...) Hat der Domaininhaber seinen Sitz nicht in Deutschland, ist der Admin-C zugleich dessen Zustellungsbevollmächtigter (...); er muss in diesem Falle seinerseits in Deutschland ansässig sein und mit seiner Straßenanschrift angegeben werden.“
Die entscheidende Frage ist nun, ob sich aus dieser Formulierung eine rechtliche Verpflichtung und somit eine Mitstörerhaftung des Admin-C ergibt. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung ist bezüglich dieses Punktes extrem uneinheitlich. Das Oberlandesgericht Koblenz und das Landgericht Kassel verneinten die Passivlegitimation und damit auch eine Mitstörerhaftung des Admin-C. Die Oberlandesgerichte München und Stuttgart dagegen bejahen eine Mithaftung. Irgendwo in der Mitte steht das Urteil des Landgerichts Magdeburg, das den Unterschied zwischen Domaininhaber und Admin-C deutlich hervorhebt und bei den Urteilsgründen entsprechend differenziert. Daneben gibt es eine Reihe von weiteren Urteilen, die außerordentlich unklar und widersprüchlich sind.
3. Die Admin-C-Entscheidung des BGH
Nach dieser jahrzehntelangen widersprüchlichen Rechtsprechung hat nun der BGH im November 2011 eine echte Grundlagenentscheidung getroffen (BGH, Urt. v. 09.11.2011 - Az.: I ZR 150/09). Die Klägerin betrieb unter der Bezeichnung "Basler Haar-Kosmetik" unter anderem im Internet einen Versandhandel für Haarkosmetikprodukte und Friseurbedarf. Sie fühlte sich durch eine unter dem Domainnamen „baslerhaarkosmetik.de“ registrierte Internetseite in ihrem Namensrecht verletzt. Der Domaininhaber war eine englische Gesellschaft. Als Admin-C war der Beklagte registriert. Die Klägerin beauftragte ihren Anwalt und forderte den Beklagten zur Löschung des Domainnamens auf. Wenig später erfolgte auch die Löschung, jedoch bezahlte der Beklagte die angefallenen Abmahnkosten nicht. Um diese Summe ging es im vorliegenden Rechtsstreit. Das Landgericht Stuttgart verurteilte den Beklagten in der 1. Instanz zur Zahlung. In der Berufung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart hingegen wurde das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Da die Klägerin in Revision ging, hatte sich nun der BGH mit dieser Frage zu beschäftigen. Die Karlsruher Richter bejahten eine Verantwortlichkeit des Admin-C. Ein Anspruch könne sich aus dem Gesichtspunkt der Störerhaftung ergeben. Die dafür erforderliche Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten leite sich allerdings noch nicht aus der Stellung des Beklagten als Admin-C an sich ab, denn dessen Funktions- und Aufgabenbereich bestimmten sich allein nach dem zwischen der DENIC und dem Domaininhaber abgeschlossenen Domainvertrag, wonach sich der Aufgabenbereich des Admin-C auf die Erleichterung der administrativen Durchführung des Domainvertrages beschränke. Unter bestimmten Umständen könne den Admin-C aber eine besondere Prüfungspflicht hinsichtlich des Domainnamens treffen, dessen Registrierung er durch seine Bereitschaft, als Admin-C zu wirken, ermögliche. Im Streitfall habe sich der Beklagte gegenüber der in England ansässigen Inhaberin des Domainnamens generell bereit erklärt, für alle von ihr registrierten Domainnamen als Admin-C zur Verfügung zu stehen. Auch sei relevant, dass die Inhaberin in einem automatisierten Verfahren frei werdende Domainnamen ermittle und automatisch registrieren lasse. Auf diese Weise finde auf Ebene des Anmelders und Inhabers des Domainnamens keinerlei Prüfung statt, ob die angemeldeten Domainnamen Rechte Dritter verletzen könnten. Bei dieser Verfahrensweise bestehe im Hinblick darauf, dass auch bei der DENIC eine solche Prüfung nicht stattfinde, eine erhöhte Gefahr, dass für den Domaininhaber rechtsverletzende Domainnamen registriert würden. Unter diesen Voraussetzungen hat der BGH eine Pflicht des Admin-C bejaht, von sich aus zu überprüfen, ob die automatisiert registrierten Domainnamen Rechte Dritter verletzen.
4. Die Konsequenzen aus dem aktuellen Urteil für die Praxis
Das aktuelle Urteil des BGH betrifft nur die Fälle, in denen es um Rechtsverletzungen durch den Domainnamen geht. Die Frage, ob und wie der Admin-C für Rechtsverletzungen auf der Domain selbst haftet, bleibt hingegen weiterhin höchstrichterlich ungeklärt. Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, als habe der BGH eine wenig ergiebige Antwort gegeben, so offenbart sich bei näherer Betrachtung, dass dem Urteil eine echte Grundlagenbedeutung zukommt. Die Aussage der Richter ist nämlich: Der Admin-C haftet grundsätzlich nicht vor Kenntnis für Rechtsverletzungen. Nur in dem besonderen Ausnahmefall, dass der Admin-C selbst bestimmte Sorgfaltspflichten nicht einhält, kann er zur Verantwortung gezogen werden. Die Juristen nennen hier besonders die Fälle des automatisierten Domain-Grabbings, wo ungeprüft massenhaft frei gewordene Second-Level-Bezeichnungen registriert werden. Es bestehen somit gute Chancen, gegen die „üblichen Verdächtigen“, die als Treuhänder für Domain-Grabber auftreten, vorzugehen. Liegen hingegen keine solchen besonderen Umstände vor, besteht auch kein Anspruch gegen den Admin-C. Personen, die vereinzelt oder in überschaubaren Fällen als Vertreter auftreten, können sich somit entspannt zurücklehnen: Eine Mitverantwortlichkeit für einen rechtswidrigen Domainnamen ist so gut wie ausgeschlossen. Die Entscheidung dürfte dazu führen, dass sich nun wieder vermehrt Personen gegen Entgelt zur Verfügung stellen, die eine Admin-C-Stellung übernehmen. Die Rechtslage in puncto Haftung nach Kenntnis bleibt davon freilich unberührt. Wird nämlich der Admin-C auf einen rechtswidrigen Domainnamen aufmerksam gemacht, so kann er sich nicht mehr auf seine bloße Admin-C-Position zurückziehen. In einem solchen Fall ist er verpflichtet, die Vorwürfe zu überprüfen und notfalls seine Stellung als technischer Ansprechpartner freizugeben. Tut er dies trotz Kenntnis nicht, kann er auch nach der aktuellen Entscheidung des BGH voll in Anspruch genommen werden. ¶