Des Pudels Kern – User-Bewertungen in Googles Universal Search

Niels Doerje
Niels Doerje

Niels Doerje sammelte Online-Erfahrung u. a. bei der Scout Gruppe, bei affili.net und zuletzt bei Google als Direktor „Strategic Partner Development Manager Media & Publishing and Content EMEA“. Seit Anfang letzten Jahres ist er Partner der Tandler Doerje Partner und berät Unternehmen hinsichtlich SEO- und Online-Strategien. Doerje ist außerdem noch als CEO bei der HolidayInsider AG tätig.

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Die Erweiterung der Elemente einer Suchergebnisseite (Universal Search) gewinnt zunehmend an Bedeutung für viele Unternehmen. Einer der Experten auf diesem Gebiet ist Niels Doerje, der bei Google für diesen Bereich zuständig war. Er denkt in dem folgenden Kommentar vor allem unter strategischer Perspektive laut nach.

Zunächst ein kleines „Warm-up“ zum Thema Universal Search: Wie ich Google doch in den 4,5 Jahren ins Herz geschlossen und lieben gelernt habe, wird mir bei den jüngsten Entwicklungen im Bereich Maps/Places und Shopping immer wieder deutlich. Es gibt wenige Tech-Companies, die in der Produktstrategie so stringent einem Gedanken folgen. Bei Google ist der Leitgedanke stets: „Was ist das beste Ergebnis für den User!“

Unter „Universal Seach“ versteht man bei Google die Einblendung zusätzlicher Elemente in die Suchergebnisseite, wie z. B. einen Stadtplan (Maps), Bilder, Videos, Produktbilder aus Shops und andere. Man muss wissen, dass es grundsätzlich zwei unterschiedliche Segmente im Bereich der Universal Search gibt. Zum einen gibt es die Media Verticals, worunter man Videos, Image und News Search versteht. Diese Verticals zeigen im Grundsatz, wie erwähnt, dem User zu seiner Suchanfrage ein Ergebnis über ein anderes Medium an, nämlich als Bild, Video und/oder als Artikel direkt auf Google News. Diese Media Verticals funktionieren alle sehr ähnlich und auch die Rankingfaktoren sind prinzipiell vergleichbar. Es gibt in Europa meiner Ansicht nach nur zwei Personen, die in diesen Bereichen echte Vordenker sind. Das ist zum einen für Google News Christoph Burseg und für Image Search Martin Mißfeldt.

Das zweite Segment im Bereich Universal Search umfasst klassische Verticals. Google Maps/Places und Google Shopping sind unter den zehn bereits gelaunchten Verticals sicherlich die prominentesten und gleichzeitig auch meine Steckenpferde.

Was ist aber nun im Rahmen der Aufholjagd im Bereich „Social“ bei Maps/Places passiert?

Seit der kürzlich vorgenommenen Umstellung in Google Places gibt es praktisch fast keine Bewertungen Dritter mehr. Wenn man sich die Detailseiten der kleinen und mittleren Unternehmen auf Maps anschaut, ist es keine Frage mehr, was hier die „Main Interaction“ ist: Schreibe einen Erfahrungsbericht! Und dies nun direkt bei/auf Google und nirgendwo anders. Dies wird alle klassischen Bewertungsportale sicherlich stark grübeln lassen.

Die Relevanz dieser Social Signals für Googles Poduktstrategie wurde massiv unterschätzt bzw. vielleicht sogar falsch bewertet. In der Vergangenheit wurden Bewertungen Dritter in Places in einem sog. Mash-up angezeigt und verlinkt. Diese Integration war für das Produkt Google Maps/Places gut und es war auch für alle Bewertungsplattformen gut. Eine klassische Win-win-Situation. Die Liste derer, die auf Google Maps angezeigt wurden, reicht von Qype, Yelp, Booking.com bis hin zu Tripadvisor oder HolidayCheck. Dieser hochrelevante Traffic kommt nach dem letzten Release höchstwahrscheinlich nur noch in sehr geringem Maße zu den Portalen durch bzw. dort an.  

Zu dem notwendigen strategischen Blickwinkel für das Online-Business möchte ich einen kleinen Exkurs unternehmen: Es ist immer wieder erstaunlich, wie dramatisch unwissend Entscheider diese Entwicklungen im Segment Universal Search/Online-Geschäft schlichtweg ausblenden oder nicht erkennen. Nehmen wir mal das Beispiel zweier sehr großer Marktketten, die Konsumertechnik und Multimedia verkaufen. Ich war dort selber vor langer Zeit sechs Jahre im Marketing/in der Werbung tätig. In den letzten Jahren meiner Tätigkeit dort stieg ich zum Marketing-Direktor für Ungarn, Österreich, Polen und die Niederlande auf. Ich konnte eng mit einem der vier Gründer zusammenarbeiten. Der Bereich E-Commerce wurde, wie selten in anderen Unternehmen, dramatisch ignoriert, aus Angst vor Veränderungen. Das „Wieso?“ kann man vielleicht sogar noch nachvollziehen, wenn man hinter die Kulissen dieser beiden Ketten blicken kann. Sie haben eine sehr dezentrale Struktur in ihrem Vertriebsnetz der einzelnen Fachmärkte. Viele der Chefs dieser einzelnen Märkte sind keine Prokuristen, sondern eingetragene Geschäftsführer mit einer kleinen oder größeren Gewinnbeteiligung. Daraus resultiert, dass das Geschäft dieser Ketten maßgeblich aus den Preisunterschieden in der einzelnen Regionen erwirtschaftet wird, d. h. der Sony-Flachbildschirm XY kostet dann einfach mal in Landshut 50 Euro mehr als aktuell in Hamburg. Im Markenkern werden zwei Key Benefits transportiert: zum einen „günstigster Preis“ und zum anderen die vielfach proklamierte „Riesenauswahl“. So weit, so gut.

Und dann kommt dieser doofe E-Commerce daher! Der jüngste Clash zwischen dem obersten Konzernchef der Holding, an der die beiden Ketten zum Teil hängen, und einem der ursprünglichen Gründer passt perfekt zu diesem Thema. Es geht im Kern um die Frage, ob ein von der Kette jüngst gekaufter Online-Versandhändler oder aber ob zwei andere durch den übergeordneten Konzern noch zusätzlich gekauft werden sollen. Der Gründer hat das erste Mal eine Entscheidung blockiert. Wieso wohl? Egal, wie es ausgehen wird, durch die kleinen, aber feinen Start-ups soll der massive Rückstand der gesamten Konzerngruppe im Online-Handel aufgeholt werden. Good luck ...

Zwischenfazit für diesen kleinen Exkurs: Das digitale Geschäft hat durch Preisvergleiche, basierend auf vielen guten Online-Shops, eine völlig neue Transparenz geschaffen. Diese Transparenz hat die Elektronikketten in ihrem Markenkern „Riesenauswahl zum günstigsten Preis“ massiv angegriffen, aber das Management des Konzerns hat es vorgezogen, keinen frühen radikalen Kurswechsel einzuleiten. Zudem entwickeln sich ja grundsätzlich digitale Märkte viel zu schnell für die Old Economy, als dass man sich in der gewohnt gemächlichen Geschwindigkeit auf Veränderungen einstellen kann. Jetzt hilft wahrscheinlich auch keine Kampagne mehr mit einzelnen Preisvergleichsportalen, die auch wieder nur auf bestimmte Produktsegmente wie z. B. Computer eingeschränkt wurde. Ohne tragfähige Online-Strategie kann es durchaus auch für große Unternehmen kritisch werden.

Den beiden bekannten Elektronikketten kann man daher nur laut zuflüstern: „Der User ist schlauer, als ihr denkt, und ganz besonders der deutsche Sparfuchs!“

Zurück zum Thema Bewertungen. Wir waren stehen geblieben bei einem genauen Blick auf Maps/Places und Product Search. Wir stellen uns eine simple Frage: „Wann erhält der User eigentlich das beste Ergebnis bzw. die beste Information zu kleinen und mittleren Unternehmen und wann zu bestimmten Produkten?“

Die Antwort ist bei Maps/Places und Shopping neben den klassischen Rankingfaktoren die Bewertung eines anderen Users als entscheidender Faktor der Zukunft. Woher kommt das? Als User versuche ich, neben den reinen Kontaktdaten und Beschreibungen eines Services, ein weiteres Gefühl für die Qualität des angebotenen Services zu bekommen. Bis heute traut man noch immer sehr stark der persönlichen Empfehlung eines Freundes/Bekannten. Als schönes Beispiel und wahrscheinlich als Klassiker kann gelten: Man zieht in eine andere Stadt, braucht einen neuen Friseur, Zahnarzt etc. und fragt in der Regel Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen. Diese Empfehlung reicht einem meist aus, weil man dem Freund vertraut. Im Volksmund nennt man dies „Mund-zu-Mund-Propaganda“ und unter Marketingexperten „Empfehlungsmarketing“. Die Übersetzung dieses Phänomens in den Online-Bereich sind Bewertungen oder noch besser, wie es Google seit ca. 9 Monaten nennt, „Erfahrungsberichte“.

Die Verknüpfung sieht man seit Kurzem genial umgesetzt mit Google+ und originären Bewertungen auf Google selbst.

Ich bin davon überzeugt, dass Bewertungen in der Zukunft beim Ranking im Universal-Search-Bereich noch relevanter werden. Zwei Faktoren spielen hier eine Rolle:

  1. Die Anzahl der Bewertungen pro Produkt, Maps-Eintrag oder Shop.
  2. Die Qualität der Bewertungen an sich.

Ein kurzer Blick auf Punkt a: Die pure Anzahl von Bewertungen ist und bleibt ein wesentlicher Faktor. Man sollte daher regelmäßig die Entwicklung seiner Bewertungen überprüfen. Idealerweise setzt man am besten für die Anzahl der Bewertungen sogar einen eigenen Messparameter im Trackingtool der Website ein. Dies bezieht sich sowohl auf die Anzahl der Bewertungen der Produkte im Shop als auch auf die Bewertungen des Shops an sich wie auch auf Bewertungen des lokalen Geschäfts. Die reine Anzahl von Bewertungen ist somit eine wichtige Basis, aber nicht der alleinige Erfolgsfaktor beim Ranken in der Zukunft.

Nun zum Punkt b: Im Rahmen von Google Maps wird schon heute versucht, die Kernaussage aus Hunderten von Bewertungen z. B. zu einem Hotel zu analysieren und in einem Ergebnis, dem „Bewertungs-Snippet“, aggregiert anzuzeigen. Hierbei werden neben dem Verhältnis von Preis und Leistung u. a. auch Zimmerausstattung, Lage und andere wesentliche Faktoren bei einem Hotelbesuch analysiert. Die Ergebnisse, die Google dort momentan liefert, waren bislang eher mittelmäßig. Andere Companies, die sich im Bereich Semantic Search spezialisiert haben, wie z. B. der globale Marktführer aus München TrustYou, bieten hier die besten Ergebnisse im Markt.

Google kann man nur empfehlen, dies bei der Beurteilung der Qualität der Bewertungs-Snippets als Benchmark zu sehen. Dass Google dieses Kriterium ebenfalls als höchst relevant einstuft, kann man schon allein daran erkennen, dass es ein öffentlich einsehbares Patent mit dem Titel „Star Quality: Aggregating Reviews to Rank Products and Merchants” (http://einfach.st/gpstar) zu genau diesem Thema gibt.

Ich bin davon überzeugt, dass dies zukünftig der Pudelskern von Universal Search ist!

Einen besonderen Hinweis gibt uns Google in diesem Patent, da der kleine Zusatz „Merchants“ die Bewertungsthematik somit auch für Shops und oder, noch abstrakter, für eine Website ganz allgemein gelten lässt. Einmal mehr hat Google das brillant analysiert und es macht absolut Sinn! Welche Aussage über die Qualität einer Website kann denn stärker sein, als Bewertungen von Usern über eben jene?

Nun stellt sich aber sehr konkret die Frage: Welcher Herkunft sind die Bewertungen und wie ist ihre Qualität und somit Aussagekraft für den User einzuschätzen? Das ist eines meiner Lieblingsthemen der letzten Monate! Einzelne Branchen versuchen, sich mehr und mehr vor offenen Bewertungsplattformen zu schützen. Ich finde die Logik absolut richtig, denn wenn jeder einfach Bewertungen über ein Geschäft oder eine Dienstleistung auf offenen Bewertungsplattformen schreiben kann, dann ist die Aussagekraft der Bewertung durchaus zunächst einmal fraglich. Hierzu gab und gibt es unzählige Berichte im Fernsehen wie z. B. kürzlich im ZDF mit dem Thema: Manipulation im Internet – wie Urlauber durch falsche Bewertungen getäuscht werden (http://einfach.st/zdf).

Ich würde grundsätzlich unterscheiden zwischen offenen Plattformen wie z. B. Google, Tripadvisor oder Trivago, bei denen jeder Bewertungen schreiben kann, und Plattformen, bei denen man z. B. nach der Buchung einer Reise oder nach einem Einkauf per E-Mail aufgefordert bzw. eingeladen wird, genau diese einzelne Leistung zu bewerten.

Alle Anbieter offener Plattformen beteuern, dass sie mithilfe von Technologie und Redakteuren die Richtigkeit der Bewertungen überprüfen, was meines Erachtens unglaublich schwierig sein dürfte. Google geht sogar so weit, dass die Bewertungen nach einem kurzen Technologiecheck veröffentlicht werden und man dann über ein Formular seinen Einspruch geltend machen kann. In der Regel wird die Bewertung dann gelöscht. Ob dies der richtige Weg ist, um eine maximale Richtigkeit der Bewertung zu gewährleisten, möchte ich bezweifeln.

Die Marktteilnehmer, die eine Bewertung auf Basis von Buchungen oder Käufen einsammeln, versuchen sich damit deutlich abzusetzen. Diese Marktteilnehmer sprechen inzwischen von „echten Bewertungen“. Ich finde diesen Ansatz gut und richtig. So hat der User eine wesentlich bessere Orientierung im Netz und hoffentlich aussagekräftigere Bewertungen über die angebotenen Leistungen.

Um den Kreis nun komplett zu schließen, sei am Ende eines erwähnt: Wenn diese Unterscheidung von echten Bewertungen und einfachen „Jedermann“-Bewertungen nicht stattfinden wird, sind jegliche Aggregationsversuche, wie sie oben beschrieben wurden, verständlicherweise inhaltlich extrem fraglich.

Fazit: In dem wichtigen Zukunftsbereich von Bewertungen ist der Rückgriff auf „echte Bewertungen“ von Käufern der richtige Weg. Das Einsammeln massenhafter Kommentare, die von jedermann abgegeben werden können und somit allzu leicht manipulierbar sind, erscheint mir als der völlig falsche Weg. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die weitere Entwicklung von Bewertungen auf Google Maps/Places und Google Shopping darstellen wird.