Auch wenn Google Analytics in Europa das mit Abstand meistgenutzte Analysetool ist, so zeigen sich im internationalen Vergleich massive Unterschiede bei Nutzung und Auswahl der Analyse-Systeme. Eine exklusive Auswertung des IdealObserver für Webboosting, in der die reichweitenstärksten Websites europäischer Länder hinsichtlich ihres Einsatzes von Webanalyse-Systemen untersucht wurden, liefert aufschlussreiche Einblicke anhand konkreter Daten.
Daten zum europäischen Webanalyse-Markt: Europas Sitebetreiber bevorzugen nationale Lösungen
Google Analytics dominiert den europäischen Analyse-Markt. Mit dem kostenlosen Angebot zur Messung und Auswertung von Besucherbewegungen auf Websites liefert das amerikanische Unternehmen mehr als der Hälfte der Betreiber der meistbesuchten europäischen Online-Angebote Statistiken zum Online-Traffic. Dabei weist Deutschland im internationalen Vergleich mit einem 50-prozentigen Anteil noch die geringste Quote auf. In den anderen Ländern liegt der Google-Anteil weit darüber: In Frankreich nutzen 53 Prozent das US-Produkt, in Großbritannien 54 Prozent, in den Niederlanden sind es 63 Prozent und in Irland sogar 70 Prozent.
Googles Dominanz hat ihre guten Gründe: Das Tool ist nicht nur kostenlos, sondern bietet vor allem für kleine bis mittlere Websites ausreichende Funktionen und eine nutzerfreundliche Oberfläche. Erst ab einer bestimmten Größe des Traffics kommt Google Analytics an seine Grenzen und die ausgespielten Ergebnisse liefern verzerrte Daten. Auch bei komplexeren, individuellen Analyseanforderungen, Datenverknüpfungen oder detaillierten Segmentierungen stößt man mit dem Tool an Grenzen.
Dann kommen die professionellen kostenpflichtigen Systeme ins Spiel. Kommerzielle Anbieter wie Adobe mit seinem Tool SiteCatalyst und Webtrends mit dem Produkt Webtrends Analytics 9 sind in jeder der untersuchten Top-Level-Domains bei den professionellen Systemen ganz vorn zu finden. Lediglich in Deutschland ist Webtrends nicht unter den Spitzensystemen vertreten, sondern rutscht ins Mittelfeld ab. Yahoo! spielt in keinem der untersuchten Länder eine Rolle, ebenso wenig wie IBM mit seinen Produkten Coremetrix und Unica.
Viele Länder bevorzugen nationale Lösungen
Bei näherer Betrachtung zeigen sich deutliche nationale Eigenheiten. Während auf dem deutschen Markt eine ganze Reihe nationaler Anbieter (Econda, Webtrekk, etracker, Mindlab und andere) um die Kunden wirbt, herrschen in den Nachbarländern klare Verhältnisse: In Frankreich versammelt das französische Produkt Analyzer NX rund 18 Prozent der Top-Sites unter seinen Kunden und nimmt damit deutlich vor dem Adobe SiteCatalyst den zweiten Platz ein (nach Google). Diese Marktmacht kommt nicht von ungefähr: AT-Internet liefert mit der OJD-Auswertung, dem französischen Pendant zur deutschen IVW, die Online-Nutzungszahlen für die Internet-Vermarkter. Zudem bietet das Unternehmen auch ein kostenfreies Tool für die Webanalyse an, das sich als Alternative zu Google Analytics auf dem französischen Markt etablieren konnte.
Auch in den Niederlanden bevorzugen die Website-Betreiber ein nationales Produkt: Der einheimische Anbieter Nedstat (jetzt comScore) verfügt über einen Marktanteil von 12 Prozent und ist damit Marktführer unter den professionellen Tools.
Noch ausgeprägter ist das Verhältnis in Polen: Dort nutzen 30 Prozent der führenden Websites das einheimische Produkt Gemius Traffic, das auf dem gesamten osteuropäischen Markt eine starke Position einnimmt. Der große Pluspunkt dieser Anwendung: Gemius ist in den einheimischen Sprachen erhältlich.
In Italien wird die Einstiegshürde für Tool-Anbieter durch eine Zertifizierung durch „Audiweb“ erschwert. Dieses Zertifikat muss erworben und jedes Jahr verlängert werden, um auf dem italienischen Markt ein Webanalyse-Produkt gegen Gebühr anbieten zu können.
Großbritannien ist das Land mit der höchsten Vielfalt an eingesetzten Tools im signifikanten Bereich. Zehn unterschiedliche Systeme erreichen dabei einen Marktanteil von über einem Prozent (siehe Abbildung Tools UK).
Deutsche Systeme warten auf den internationalen Durchbruch
Für deutsche Anbieter gibt es noch reichlich Kundenpotenzial im europäischen Ausland. Bislang sind deutsche Tools kaum auf den internationalen Märken zu finden. Weder auf dem britischen noch auf dem französischen Markt konnte sich einer der deutschen Anbieter bei den Top-Sites über die Ein-Prozent-Marke schieben. Zwar weist die Zählung des IdealObserver-Tools deutsche Anbieter aus, doch diese rangieren eher im Promillebereich unter den Top-1000-Domains der jeweiligen Top-Level-Domain.
Lediglich in den deutschsprachigen Nachbarländern Österreich und Schweiz können Econda und Webtrekk jeweils ein beziehungsweise zwei Prozent Marktanteil erreichen. Doch schon der Blick in die Niederlande bringt wieder Ernüchterung: Die deutschen Systeme auf holländischen Websites lassen sich allesamt an einer Hand abzählen. Die Anbieter vertreiben ihr Produkt im Ausland meist über Partner wie Agenturen oder Berater. Zwar gibt es Regionalmanager für einzelne Länder, jedoch keine eigenständigen Niederlassungen oder eigenen Vertrieb.
Luxemburg und Österreich haben die höchste Quote an Websites ohne Analysetool
Den größten Nachholbedarf beim Einsatz von Webanalyse-Tools hat Luxemburg. Unter den Top-1000-.lu Websites verzeichnet die Analyse des IdealObservers mit 38 Prozent den höchsten Anteil an Websites, auf denen kein Tool implementiert ist. Mit großem Abstand folgen Österreich mit 29 Prozent, die Schweiz und Portugal mit 27 Prozent und Belgien mit 26 Prozent. In Deutschland hat sich die Quote im Laufe des Jahres 2011 von 21 auf 19 Prozent reduziert. Sie liegt damit aber immer noch deutlich über den Werten unserer europäischer Nachbarn: In England und Frankreich beträgt der Anteil jeweils 17 Prozent, in Polen sind es nur 12 Prozent. Und auch in den Niederlanden sind es lediglich 13 Prozent der Website-Betreiber, die auf eine Messung ihrer Website-Aktivitäten verzichten.
Deutschland, Österreich und Luxemburg führend bei der Nutzung der Open-Source-Technologie Piwik
Dagegen sind die deutschen, österreichischen und luxemburgischen Site-Betreiber in einem anderen Segment führend: Bei der Nutzung des Open-Source-Produkts Piwik erreichen sie Spitzenwerte. Jeweils vier Prozent unter den Top 1000 setzen auf die neue kostenfreie Lösung, die von vielen Experten als Alternative zu Google betrachtet wird.
Auf den anderen europäischen Märkten hingehen spielt das Tool bislang keine Rolle. Weder in Großbritannien noch in Polen oder Frankreich kann die Software einen zählbaren Einsatz verbuchen. Über die Gründe mag spekuliert werden. Eine nähere Betrachtung der deutschen Piwik-Nutzer offenbart, dass zahlreiche universitäre Einrichtungen darunter sind. Mit Blick auf den besonderen Stellenwert, den die Datenschutz-Diskussion in Deutschland einnimmt, kann gemutmaßt werden, dass viele in Piwik die rechtlich unbedenkliche Alternative sehen.
Neue Perspektiven für Site-Betreiber, neue Chancen für Anbieter-Unternehmen
Der europäische Anbietermarkt hält deutlich mehr Alternativen an Analyse-Systemen bereit, als der erste oberflächliche Eindruck vermitteln mag. Wer sich bei den bekannten deutschen Anbietern oder den US-amerikanischen Quasi-Monopolisten nicht gut aufgehoben fühlt, der kann eine Vielzahl europäischer Alternativen prüfen, die sich in ihren Ländern bereits erfolgreich bewährt haben.
Im internationalen Vergleich sind die Tools der deutschen Anbieter gut aufgestellt. Die Benutzeroberfläche kann jedoch mit den Spitzentools von Adobe und Webtrends bislang nicht mithalten. Auf der anderen Seite haben auch die deutschen Anbieter die Chance, den internationalen Markt zu erobern, wenn sie bereit sind, ihre Vertriebsaktivitäten auszuweiten und ihr Produkt den Landesgegebenheiten, insbesondere der Sprache, anzupassen.
Die Märkte werden jedenfalls wachsen. Je mehr Geld mit einer Website verdient wird, umso größer werden die Ansprüche an das Analysetool. Der Kosten-Nutzen-Aspekt für die Investition in ein professionelles Analysetool ist dann eher gegeben.