Eines der bekanntesten Zitate von Galileo Galilei ist wohl: „Miss alles, was sich messen lässt, und mach alles messbar, was sich nicht messen lässt.“ Das war im 15. Jahrhundert. Erstaunlicherweise gibt es auch heute noch unzählige Seitenbetreiber, die den Erfolg ihrer Website überhaupt nicht überwachen und Maßnahmen nach Bauchgefühl entscheiden – ein Tappen im Dunkel, wenn man so will. Florian Stelzner zeigt, wie man Kennzahlen für die Erfolgsbeurteilung im SEO aufbauen kann.
SEO: Wer nicht misst, misst Mist!
Es gibt Firmen, deren Sicherheitsauflagen bezüglich des Datenschutzes so hoch sind, dass nicht einmal die eigens zur Optimierung der Site eingestellten Fachkräfte, wie Inhouse-SEOs, Zugang zu den Webtracking-Daten haben. Das ist schon ein starkes Stück und grenzt im Prinzip an Suizid. Jedem, dem das so geht, sei geraten, sofort ein ernsthaftes Gespräch mit den Verantwortlichen zu führen.
Das sind natürlich die wirklich extremen Ausnahmen. Dennoch beobachte ich seit einiger Zeit, wie man sich oft nur auf drei Kennzahlen (mal abgesehen von den Backlinks) konzentriert: den organischen (SEO)-Traffic, den Sichtbarkeitsindex und den Pagerank.
Letzterer verursacht nach jedem halbjährlichen Update sogar einen nicht nachvollziehbaren Aufschrei in der Blogosphäre. Martin Sinner ging das in der Nacht vom 5. auf den 6. November ähnlich, als er über „SEO News, die nerven“ berichtete (einfach.st/sinner).
Doch wie misst man den Erfolg einer Website richtig?
Gerne zitiere ich hier zunächst den TRG-Chef Christoph Burseg, der es so ausdrücken würde: „It depends.“ Der Erfolg einer Website hängt von vielen Faktoren ab und bevor man auch nur einen einzigen Blick auf Analysedaten wirft, sollte man sich mindestens folgende Gedanken machen:
- Was ist das Geschäftsmodell der Seite?
- Welche Besucher spricht meine Seite an?
- Wie wird Geld verdient und wo entstehen Kosten?
Je mehr solcher Überlegungen man anstellt, desto besser. Zunächst muss man die Site im wahrsten Sinne des Wortes „verstehen“ lernen.
Grundsätzlich muss zwischen Metriken und echten Key-Performance-Indikatoren (KPI) unterschieden werden, wenn man eine richtige Bewertung vornehmen möchte. Alle definierten Ziele sollten dann im Webanalyse-Tool des Vertrauens, z. B. Google Analytics, eingestellt werden. Während ein Online-Shop klassischerweise Verkäufe den Einkaufspreisen und sonstigen Kosten gegenüberstellt, könnte der Erfolg eines News-Portals Erlöse aus Ad-Impressions zählen wollen und ein soziales Netzwerk beispielsweise zahlende Kunden. Diese grundsätzlichen Erfolgsmetriken sind produktbasiert und sehr individuell. Darauf aufbauend kann man kampagnenbasierte SEO-Metriken und SEO-KPI definieren. Ein klassischer Zyklus der Optimierung könnte daher aussehen wie in Abb. 1 dargestellt:
Essenzielle Metriken für den SEO-Erfolg
Neben den Unternehmens-KPI gibt es einige Metriken, die sich jeder SEO stets anschauen bzw. als Baseline festlegen sollte:
- Logisch! Organischer (SEO)Traffic: Wie ist die Ausgangslage?
- KeywordSets festlegen
- Welche Keywords sind wichtig?
- Welche Keywords bringen den meisten Traffic?
- Welche Keywords bringen (noch) keinen Traffic?
- Welche Keywords bringen die meiste Conversion?
- Worauf achten Chef oder Vorstand?
- Mit welchen Keywords rankt die Konkurrenz, ich aber nicht?
- Seitenanalyse
- Wie teilt sich der Traffic auf die Site auf?
(Google-Suche, Direct-Traffic, verweisende Websites, Kampagnen etc.) - Welche Inhalte sind am wertvollsten für SEO?
(Tipp: evtl. Hoheitsgebiet beantragen!) - Indizierte Seiten vs. Trafficseiten:
(Gibt es Inhalte, die gar keine Besucher zählen?) - Sichtbarkeitsindex
- Wie teilt sich der Traffic auf die Site auf?
- TechTalk
- Header-Weiterleitungen (Alle richtig? Evtl. unnötig oder doppelt?)
- 404-Fehlerseiten (Achtung: 0 ist unnatürlich!)
- Bot-Besuche: Wie oft kommt der Suchmaschinencrawler vorbei und für welche Inhalte interessiert er sich besonders oft?
Die oben genannten Metriken sind das Rahmenwerk. Bei Bedarf kann, davon ausgehend, auch noch wesentlich detaillierter gemessen und analysiert werden. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man das anstellen kann, folgen nun beispielhaft fünf Metriken und deren Anwendungsfälle.
Fünf SEO-Metriken, die Spaß machen
Sichtbarkeit pro Verzeichnis
Wie oben beschrieben, achten die meisten SEOs auf den sogenannten Sichtbarkeitsindex, eine Kennzahl, die sich aus dem Ranking sowie der Wertigkeit (Suchvolumen) eines Keywords zusammensetzt. Aus der Gesamtsumme aller betrachteten Keywords entsteht dann ein Scoring-Wert – der Sichtbarkeitsindex.
Es gibt viele verschiedene SEO-Tools, die unterschiedliche Bezeichnungen und Keyword-Betrachtungsräume für diesen Wert haben. In der Sistrix-Toolbox, auf die ich mich hier beschränken möchte, heißt es jedenfalls Sichtbarkeitsindex und daher verwende ich der Einfachheit halber diesen Namen.
Nur auf den Verlauf der Sichtbarkeitsindizes zu achten, reicht jedoch in der Regel nicht aus und hat des Öfteren auch keinen direkten Bezug zum Trafficverlauf. Daher ist es wichtig, sich vergleichbare Werte z. B. aus dem eigenen Tracking-Tool heranzuziehen.
So kann es zum Beispiel vorkommen, dass viele kleine Erfolge in puncto Sichtbarkeit einen großen Einbruch an anderer Stelle in der Gesamtansicht aufheben. Man sollte sich also in jedem Fall die Mühe machen und zumindest seine Hauptverzeichnisse im Einzelnen betrachten. Im folgenden Beispiel sehen wir den Verlauf des Sichtbarkeitsindex eines Toolanbieters für eine reale Domain, auf der ein Online-Preisvergleich zu finden ist. In der Gesamtbetrachtung sieht man neben einem kurzen, aber drastischen Abfall eine stabilisierte Linie mit leichter Tendenz nach oben.
Eine Steigerung von 754 % kommt auch beim Vorgesetzten sicher gut an, jedoch sollte man hier tiefer einsteigen, um festzustellen, ob sich die Rankings wirklich erholt haben bzw. was hier überhaupt zum Einbruch führte.
In der nächsten Abbildung sehen wir uns dann über eine Funktion im Tool „Verzeichnisse & URLs“ einen Unterordner dieser Domain genauer an und stellen hier einen seit einigen Wochen stark schwankenden Sichtbarkeitsverlust fest. Hier stimmt also offenbar etwas nicht!
Insbesondere Preisvergleichssites haben in der letzten Zeit beobachtbar starke Einbußen erlitten. Der Grund sind meistens automatisiert erzeugte Seiten ohne echten Mehrwert für Benutzer.
Keyword-Traffic/Non-Brand Keyword-Traffic
Marken-Keywords bringen bei vielen Seiten den meisten Traffic, sei es, weil die User die Adresszeile des Browsers nicht kennen oder weil sie einfach genau wissen, wohin sie wollen. Sämtliche Suchwörter, die den Domain- oder Markennamen beinhalten, sollte man daher gerne auch getrennt von den anderen Keywords betrachten.
Dies erklärt oft unnatürlich starke Schwankungen bzw. zeigt, ob die Optimierung Erfolg hatte. Bleibt der Marken-Traffic konstant (oder sinkt sogar), aber der SEO-Traffic steigt, ist das ein gutes Zeichen. Wer hier noch weiter einsteigen will, kann noch rigoroser werden und beispielsweise nur die Keywords zählen, die zu einer Conversion geführt haben. Bitte generell auch nicht den Longtail-Traffic vergessen. Kleinvieh macht schließlich auch Mist!
Backlink-Clustering
Eines jeden SEO Heiligtum sind seine Backlinks. Viele achten jedoch rein auf die Anzahl der Links und sind zufrieden, solange die Zahl steigt. Wer dagegen wissen will, ob die neu gewonnenen Links auch etwas wert sind, der sollte sich vor allem den Verlauf der IP- und Domain-Popularität ansehen. Doch damit nicht genug! Entscheidend ist, auf welche Seite der neue Link gesetzt wurde und mit welchem Ankertext. Brand-Links von trustreichen Seiten mit der Startseite als Ziel sind teilweise weniger wert als Deep-Links von „kleineren“ Websites.
Wer stetig sein Keyword-Delta beobachtet, also feststellen kann, welche Links wann und wohin gesetzt wurden, kann oftmals einen frisch gesetzten Link mit ungutem Ankertext und falschem Linkziel durch ein kurzes Telefonat oder eine E-Mail „umbiegen“.
Auch die geografische Herkunft ist von Wichtigkeit. So sollte z. B. der Hauptanteil der Links vorzugsweise aus dem eigenen Land kommen.
Keyword-Entwicklung
Extrem spannend ist die allgemeine Keyword-Entwicklung, die meistens der erste Indikator für eine gute Optimierung ist. Zugrunde liegt hier die Erkenntnis, dass Keywords erst in den oberen Rankingbereichen signifikanten organischen Traffic bekommen und maßgeblich zum Sichtbarkeitsindex beisteuern. Dazu unterteilt man seine Keywords einfach nach Vorkommen auf den Ergebnisseiten der Suchmaschine. Beispiel: Anzahl Keywords auf Google Seite 1, Seite 2, … Seite 10; in ein Balkendiagramm übernommen, sollte man dann über die Zeit eine Art „Wellenbewegung“ feststellen können.
Universal Search
Jede zweite Suchanfrage enthält mittlerweile ein Universal-Search-Ergebnis, sogenannte eingerückte Ergebnisse für Videos, Produkte, Maps, Shopping oder News. Die Einblendung erfolgt entweder unterhalb, mittig oder sogar über den organischen Ergebnissen. So ist es beispielsweise möglich, für Keywords Traffic zu bekommen, bei denen man aktuell keine Chance auf eine Platzierung in den Top 10 hat. Grund genug, sich die einzelnen Universal-Search-Properties genauer anzusehen. Auch hier kann man sich mit Tools behelfen, die man eben nicht nur für die eigene Seite, sondern natürlich auch für die Einschätzung der Mitbewerber verwenden kann und sollte. Eine einfache Metrik ist z. B. die Anzahl der Einblendungen nach Position und Zeit. Aber auch viele andere Kombinationen der Datenfelder sind sinnvoll. Hier heißt es, je nach den Zielsetzungen kreativ sein.
Generell lassen sich viele der Daten elegant miteinander verknüpfen, um neue spannende und aufklärende Metriken zu erzeugen. Wichtig ist dabei jedoch immer, nicht zu vergessen, dass Messen natürlich nicht zum Selbstzweck verkommen darf und jeder aus Kennzahlen entnommenen Erkenntnis auch immer (Re-)Aktionen folgen sollten.