Ein Herz für treue Kunden – Kundenbindung im E-Commerce

Lena Sönnichsen
Lena Sönnichsen

Lena Sönnichsen ist geschäftsführende Gesellschafterin der CashBits GmbH & Co. KG. Sie hat Angewandte Kulturwissenschaften in Lüneburg studiert und anschließend fünf Jahre Berufserfahrung in der strategischen Kommunikationsberatung in New York und Hamburg gesammelt. Bei CashBits, dem im Mai 2010 mit Moritz Corbelin gegründeten E-Commerce-Kundenbindungsprogramm, verantwortet Lena Sönnichsen die Bereiche Presse, Marketing und Vertrieb. Sie twittert unter @CashBits und freut sich über Feedback, Fragen und Kontakt an lena.soennichsen@cashbits.de oder über die CashBits-Facebook-Seite.

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Rabatt- und Bonussysteme polarisieren – doch in Zeiten steigender Kundengewinnungskosten führt kein Weg an den Klassikern der Kundenbindung vorbei. Aber nicht immer halten die verfügbaren Systeme, was sie versprechen: Was Affiliate-Marketing damit zu tun hat, wo echte Kundenbindung beginnt und welche Unterschiede es unbedingt zu beachten gilt, zeigt dieser Artikel auf.

Die Frage nach Stempel- oder Sammelkarte wird an Kassen quer durch die Republik entweder mit einer absolut ablehnenden Reaktion quittiert – oder man trifft auf echte Fans. Das Sammeln von Herzen, Punkten oder Stempeln ist entweder uncool oder heiß geliebt. Entsprechend ist es nicht schwer, im Bekannten- und Freundeskreis sowohl Menschen auszumachen, die sich bereitwillig als geradezu leidenschaftliche Gegner von Kundenbindungssystemen ausgeben – und solche, deren Portemonnaies mehr als nur eine Kundenkarte beherbergen. Die sind auf jeden Fall in guter Gesellschaft: In jedem dritten deutschen Geldbeutel steckt mittlerweile eine Payback-Karte. Und online wie offline gibt es eine steigende Anzahl genau dieser Systeme für's Sammeln von Herzchen und Treuepunkten. Kundenbindung – funktioniert sie nur im Verborgenen, weil wir das geizige Image gern hinter uns lassen wollen? Oder ist man im Land der Pfennigfuchser und Sparer damit genau an der richtigen Adresse? Fakt ist: Insbesondere im E-Commerce wird man zukünftig kaum an diesem Thema vorbeikommen – auch wenn der Weg noch weit ist. Noch bevorzugt der Online-Handel fast ausschließlich die Neukundengewinnung, doch bereits jetzt ist abzusehen, dass zunehmende Konkurrenz und steigende Preise eine Verlagerung unausweichlich machen. Wie immer machen es „die Großen“ vor – Tchibo und Amazon setzen bereits heute ganz explizit auf Kundenbindung.

Immerhin: Es tut sich was am Markt – und nicht nur aus ganz persönlicher Perspektive, als Gründerin eines Online-Kundenbindungssystems, finde ich diese Bewegung erfreulich. Durch innovative Ansätze, neue Geschäftsmodelle und ein paar altbekannte Gründer hat der gesamte Themenkomplex „Shoppen, Schnäppchen, Sparen“ an Fahrt gewonnen – und das zahlt sich mittelfristig auch für Kundenbindungsansätze aus. Für die Endkunden bieten sich auf einmal ganz neue Möglichkeiten, an echte „Deals“" zu kommen, und auch in der Gründerszene wird das Thema „Rabatte“ nicht mehr mitleidig belächelt. Wie kommt's? Gutschein-Konzepte, die sich im US-amerikanischen Markt schon seit Jahren größter Beliebtheit erfreuen, haben es mittlerweile auch nach Deutschland geschafft. Und wie: Erst im Dezember 2009 gründeten die Samwer-Brüder Citydeal, zeitgleich gingen mehrere Wettbewerber an den Start. Im Mai 2010 dann die Übernahme des Marktführers durch das US-Original, seitdem segelt man unter der Flagge „Groupon Deutschland“. Das Geschäftsmodell kann mittlerweile als ausreichend bekannt vorausgesetzt werden – nur so viel: Es scheint sich gut leben zu lassen mit der Akquise von Anbietern, die zeitlich und teilweise auch räumlich begrenzt ein Schnäppchen präsentieren (sicherlich nicht ganz unberechtigt in der Hoffnung, dass nicht alle Jäger die Beute tatsächlich auch einlösen). Auch wenn es immer wieder Gerüchte gibt, der europäische Ableger sei noch weit davon entfernt, profitabel zu operieren – die ganz aktuellen Meldungen, Groupon stehe kurz davor, Google zu beteiligen, sprechen nicht dafür, dass der Hype um die Groupon-Konzepte so schnell vorbei ist, wie er begonnen hat.

Der Endkunde steht im Mittelpunkt. Das heißt aber nicht, dass Groupon & Co. nicht auch im B2B-Bereich für Freude sorgen. Insbesondere E-Commerce-Anbieter, durch steigenden Wettbewerb und sinkende Margen dauerhaft auf der Suche nach dem heiligen Marketing-Gral, hören sehr gespannt zu, wenn erneute Erfolgsgeschichten die Runde machen. Group-Buying, so scheint es, ist die neue Wunderwaffe im zunehmend hitzigen Gefecht um die Kunden. Es bleibt jedoch ein Wermutstropfen, natürlich. Egal, wie hoch das Herz des Online-Shop-Betreibers angesichts der Marketingerfolge auch hüpft – am Treueherz (im übertragenen Sinne) kommt er weiterhin nicht vorbei.

Kundengewinnung ist nicht Kundenbindung

Letztlich gilt für Group-Buying und viele andere Systeme, die auf den ersten Blick nach Kundenbindung aussehen, das Gleiche wie für gesundheitsfördernde Schokolade: Selten ist drin, was das Label verspricht. Macht man sich den Unterschied zwischen Kundengewinnung und Kundenbindung klar, wird deutlicher, was gemeint ist. Maßnahmen zur Kundengewinnung zielen darauf ab, Menschen für einen Shop, eine Plattform, eine Seite zu begeistern, die diese URL vorher noch nie in einen Browser eingegeben hatten. Kundenbindung heißt, diese Menschen zu Wiederholungstätern zu machen. Man muss kein Experte sein, um sich auszurechnen, wie viel höher der Aufwand für Ersteres ist (auch wenn man den Aufwand für Letzteres trotzdem beileibe nicht unterschätzen sollte). Online-Händler wissen aus Erfahrung: Die Investitionen in Kundengewinnung können immens sein. Suchmaschinen-Optimierung und -Marketing sind oft nur der erste Schritt, um überhaupt gefunden und wahrgenommen zu werden, Anzeigen und Bannerschaltung sollen den Traffic erhöhen und zur Umsatzsteigerung durch das Neukundengeschäft beitragen. Die Liste ließe sich endlos erweitern – eben auch um Group-Buying-Maßnahmen – aber der Druck bleibt der gleiche. Kundengewinnung ist mühsam und teuer und alleine hohe Conversion-Rates retten die durch zahlreiche Maßnahmen gebeutelten Margen.

Kundenbindung hat dagegen ein paar Hürden weniger zu nehmen: Immerhin hat der Kunde sich bereits für das Angebot interessiert, die Website besucht, das Produkt gekauft. Die ersten zwei Schritte des sogenannten Loyalitätskreislaufes sind also getan („attract“ und „convert“), die kostenintensive Überzeugungsarbeit hat sich offensichtlich gelohnt. Im Sinne des insgesamt vier Schritte umfassenden Modells gilt es nun, den einmaligen Käufer durch geeignete Maßnahmen an das eigene Unternehmen zu binden, denn erst auf Schritt drei – „serve“ – folgt der so wichtige Schritt vier – „retain“ (was sich mit „erhalten“ oder „binden“ übersetzen lässt).

„Den einen Königsweg gibt es nicht.“

Wie kann das gehen? Wie erreicht man sie, die Kundenbindung? Wie immer gilt leider: Den einen Königsweg gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind Produktpalette und Kundenstamm, zu sehr hängt das richtige Kundenbindungsinstrument von der Lebensphase des Shops und den drumherum veranstalteten Aktivitäten ab. Trotzdem gibt es eine ganze Menge Möglichkeiten, mit denen man gute Chancen hat, Kunden zu involvieren und so zu binden.

Und deshalb ist Schritt drei so wichtig, der vor allem die Standard-Prozesse eines Online-Shops beschreibt, auf die man trotzdem nicht oft genug hinweisen kann: attraktive Produkte, gute Usability, die Anbindung relevanter Zahlungsmethoden und zuverlässige, prompte Kommunikation mit dem Kunden, die auch ein professionelles Beschwerdemanagement umfasst – eigentlich Selbstverständlichkeiten, die dennoch der erste Schritt zur Kundenbindung sind. Martina Schimbach, Inhaberin der „Bastel- und Hobbykiste“, die seit mittlerweile zehn Jahren online ist und Handarbeitsfreunde in der ganzen Welt mit „Nadel und Faden“ versorgt, macht vieles richtig, so scheint es. Sie vertraut auf ein ganzes Arsenal an Maßnahmen, das erst im Zusammenspiel seine gesamte Wirkung entfaltet. Vieles davon lässt sich dieser „weicheren“ Form der Kundenbindung zuschreiben. Seit Jahren bemüht sich der Shop um den echten, nachhaltigen Dialog mit seinen Kunden. Selbstverständlich gibt es einen Newsletter – aber unter www.bastelundhobbykiste.de gibt es eben auch ein Forum und ein Blog – und das nicht erst, seitdem diese Kommunikationskanäle quasi zum „guten Shopbetreiber-Ton“ gehören. Martina Schimbach gibt zu, dass jahrelange Aufbauarbeit geleistet werden musste, um den heutigen Stand zu erreichen. Echte Kommunikation ist eben keine Einbahnstraße und auch nicht schnell nebenbei gemacht – das gilt für die Umsetzung „altmodischer“ Gewinnspiele und Spendenaktionen ebenso wie für moderne Kommunikationskanäle des Social Web. Aber am Ende lohnen sich Mühe und Geduld, wenn eine wie auch immer geartete höherwertige Kundenbeziehung das Resultat ist. Der Umsatz mit zufriedenen Bestandskunden ist günstiger „erkauft“ als der teurere Neukunden-Traffic im gleichen Umfang.

Angebot an Maßnahmen ist vielfältig

Erst wenn das Grundgerüst steht, wenn das Fundament stimmt, können zusätzliche Tools der Kundenbindung voll zur Geltung kommen. Dazu gehören sowohl Gutscheine als auch Bonussysteme. Die Bastel- und Hobbykiste legt dem Warenpaket beispielsweise einen Gutschein für den nächsten Einkauf bei. An eine Mindestbestellsumme geknüpft ist er ein wirksames Mittel, um dem einmaligen Kunden auch den wiederholten Einkauf ans Herz zu legen, die Marketingkosten bleiben überschaubar und sind klar zu kalkulieren. Martina Schimbach klebt Gutscheine auch manchmal auf das Paket, verschickt sie zum Geburtstag oder stellt sie in Aussicht, um Kunden zu einem Feedback zu ermuntern. Der Gutschein ist der Klassiker unter den Kundenbindungsinstrumenten – und dank integrierter Funktionen in Standard-Shopsoftware ist er auch schnell und kostengünstig selbst für kleinere Shops umzusetzen. Aber auch hier gilt es, den Unterschied zwischen Neukundengewinnung und Bestandskundenbindung zu beachten. Ist der Gutschein an eine Erstbestellung geknüpft, ist er eindeutig kein Kundenbindungsinstrument. Dafür müsste er schon an Bestandskunden geschickt werden, beispielsweise über den Newsletter.

Gutscheine haben viele Vorteile: Die Implementierung ist unkompliziert, das Verfahren beim Kunden bekannt, die Ansprache personalisierbar. Die Kehrseite der Medaille: Die unterschiedlich üppige Incentivierung für verschiedene Sortimentsgruppen über Gutscheine ist nicht praktikabel, das System ist insgesamt zu wenig flexibel. Aus Kundensicht gibt es außerdem noch einen entscheidenden Nachteil: Das Abtippen oder Kopieren von Codes ist einfach umständlich. Hier kommt das Bonussystem ins Spiel.

Können Bonussysteme helfen, die vier Schritte zum Stammkunden erfolgreich zu meistern? Ja, sie können und sie gelten zu Recht als Klassiker der Kundenbindung. Prinzipiell ist ihr Mechanismus denkbar einfach: Konsumenten kaufen Produkte oder Dienstleistungen und bekommen dafür eine Belohnung, die wiederum Loyalität, Einstellung und Verhalten beeinflussen soll. Warum das funktioniert? Die Belohnung wird nicht sofort ausgehändigt, sondern erst, sobald eine bestimmte Sammelschwelle erreicht wird. Durch dieses Prinzip wirkt sich der Einsatz eines Bonusprogramms auf sechs Bereiche aus, die Hinterhuber/Glusac in einer Studie für den Harvard Business Manager (12/2005) identifiziert haben:

                  1.              die Wiederkaufabsichten,
                  2.              die Zusatzkaufabsichten,
                  3.              das Weiterempfehlungsverhalten,
                  4.              das Markeninvolvement,
                  5.              die Kundenzufriedenheit,
                  6.              die Preissensitivität.
 

Kostenvorteile durch echte Kundenbindung

So weit, so logisch. Im Offline-Handel funktioniert das gut – doch gerade im E-Commerce gibt es ein entscheidendes technisches Detail, das bei genauerer Betrachtung einen erheblichen Unterschied ausmacht – womit man wieder beim „richtigen Label“ wäre. Tatsächlich sind die meisten der in Deutschland verbreiteten Online-Bonus- oder Cashback-Programme nämlich keine „echten“ Kundenbindungsmaßnahmen. Sie basieren vielmehr auf dem Prinzip des Affiliate-Marketings (das in der letzten Ausgabe dieses Magazins ausführlich beschrieben wurde). Sammelwillige Endkunden werden auf „Bonusportalen“ aggregiert und per Link zu den hinterlegten Online-Shops geschickt. Die Bonusplattform erhält dafür Vermittlungs-Provision, die sie zum Teil (in Form einer fixen Vergütung oder als prozentuale Beteiligung) an die Kunden weitergibt. Natürlich ist die Vermittlung von Traffic im Sinne des Händlers – er zahlt jedoch im Zweifel einen zu hohen Preis für die „geschickten“ User. Trotz Gebühren, die üblicherweise um die 10 % liegen, ist schließlich nicht auszuschließen, dass die über eine Bonusseite zu ihm gelangten Kunden schon vorher eine feste Kaufabsicht hegten, die sie auch ohne die Verlinkung über einen Drittanbieter in die Tat umgesetzt hätten. Der Anteil an Bestandskunden ist außerdem üblicherweise deutlich höher als der der Neukunden – an denen sich aber das recht kostspielige Preismodell ausrichtet. Affiliate-Programme sind Maßnahmen zur Kundenneugewinnung – und deshalb denkbar ungeeignet, um auf dieser Basis ein echtes Kundenbindungssystem umzusetzen. Die ersten Unternehmen reagieren: So hat der OTTO-Konzern sein Vergütungsmodell umgestellt und zahlt bereits unterschiedliche Preise für die zwei unterschiedlichen Kundengruppen – es bleibt also abzuwarten, inwieweit sich die Themen „Affiliate-Marketing“ und „Kundenbindung“ in Zukunft trennen lassen werden.

Die Bastel- und Hobbykiste hat sich gerade CashBits angeschlossen. Das erste Multi-Partner-Kundenbindungssystem für E-Commerce-Händler wird über ein PlugIn bzw. kleine Code-Schnipsel direkt in den Shop eingebunden – das ist nicht nur bequemer für den einkaufenden Endkunden, sondern löst auch das bereits angesprochene Affiliate-Problem. Die Abrechnung erfolgt stattdessen rein transaktionsbasiert und direkt mit dem Bonusprogramm. Zudem können, ähnlich wie bei den bereits angesprochenen Gutscheinen, auch ganz gezielte Aktionen der Kunden belohnt werden – eine Newsletter-Anmeldung oder das Anklicken des Facebook-Like-Buttons beispielsweise. Eine Schwierigkeit bleibt: Neukundengewinnung mit allen dazugehörigen Tools gehört mittlerweile zum Standard-Repertoire der Shopbetreiber – entsprechend vielfältig ist die Literatur und auch in Sachen Monitoring und Controlling haben sich gängige Tools und Methoden durchgesetzt. Im Bereich „Kundenbindung“ sieht es dagegen noch ein bisschen anders aus: Während das Tracking von Neukunden relativ leicht zu bewerkstelligen ist, gibt selbst eine Veteranin des E-Commerce wie Martina Schimbach zu, dass ihr die Erfolgskontrolle von Kundenbindungsmaßnahmen durchaus noch schwerfällt. Hier wird noch viel Arbeit zu leisten sein – denn an der „echten“ Kundenbindung führt in Zukunft kein Weg vorbei.