Im ersten Teil hat der Dr. Kausch an Hand von Beispielen wie „Kaffee Partner“ und „Nestlé“ dargestellt welche Reputationskatastrophen so auftreten können. In einer großen Marktübersicht wurde gezeigt, welche Werkzeuge für das Online-Monitoring zur Verfügung stehen. Erfahren Sie jetzt, wie man vernünftiges Krisenmanagement betreibt und welche Social Media Guidelines dafür notwendig sind …
Online-Reputationsmanagement – Auf der Suche nach sich selbst! (Teil 2)
Die Rolle von Clipping-Services im Online-Monitoring
Klassische Clipping-Services, wie sie in Pressestellen seit vielen Jahren üblich sind, sammeln heute in der Regel unsortiert Belegstellen nach Suchbegriffen, bieten aber auch individuell gestaltete qualitative Analysen. Publikumsanalysen zeigen die Zusammensetzung der erreichten Zielgruppen auf, Medienresonanzanalysen ordnen die Fundstellen konkreten PR-Aktionen zu, Meinungs-Monitoring sammelt und interpretiert Meinungen und Bewertungen zu Marken und Personen. Teilweise bieten diese Dienstleister heute auch schon Diffusionsanalysen an, analysieren also den Weg, den beobachtete Meinungen gehen. Solche Untersuchungen geben Antworten auf Fragen wie: „Wer macht in sozialen Netzwerken Meinung?“, und: „Wer schreibt von wem ab?“ So entstehen komplexe soziale Netzwerkanalysen.
Zu den größten Anbietern in diesem Bereich gehört heute die Berliner „AUSSCHNITT Medienbeobachtung“ (www.ausschnitt.de), die nach eigenen Angaben mehr als 100 Millionen deutsche und internationale Quellen auswertet. Darunter finden sich neben normalen Websites zahlreiche Foren, Blogs und Twitter-Accounts. Weitere Dienstleister sind Cision (Frankfurt/Main, de.cision.com), Landau Media (Berlin, www.landaumedia.de) und die schweizerische Bluereport (www.bluereport.net), die zwar „nur“ rund 16.000 deutschsprachige Online-Medien analysiert, aber dafür als Besonderheit eine Clipping-Maschine für Apples iPad anbietet.
Professionelle Dienstleister für das Reputationsmanagement
Kostenlose Werkzeuge für das Online-Monitoring geraten bei sehr großen Unternehmen beziehungsweise sehr bekannten Marken schnell an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Auch analysieren kostenlose Tools immer nur das „Surface Web“, also den Teil der Online-Welt, der auch für konventionelle Suchmaschinen wie Google erfassbar ist. Eine Analyse des „Deep Web“, also etwa an das Internet angeschlossener öffentlicher Datenbanken, erfordert mehr oder weniger kostspielige Spezial-Software oder eben den Rückgriff auf spezialisierte Dienstleister. Unternehmen, die das Online-Monitoring nicht selbst übernehmen wollen, können heute auf ein knappes Dutzend in Deutschland aktiver Spezialunternehmen zurückgreifen.
Diese Anbieter bieten Data Mining Services an, die weit über die Angebote der klassischen Clipping-Dienstleister hinausgehen. Zu den bekannteren Anbietern in diesem Segment gehören heute B. I. G. (Frankfurt/Main, www.intelligence-group.com), Complexium (Berlin, www.complexium.de), Ethority (Hamburg, www.ethority.de), Indeca (Heilbronn, www.indeca.de), TWT (Düsseldorf, www.twt.de) und Vico (Leinfelden-Echterdingen, www.vico-research.com). Wir selbst arbeiten mit der schweizerischen Netbreeze AG in Zürich (www.netbreeze.ch) zusammen, einem 1998 als Spin-off der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich entstandenem Unternehmen, das sich auf Deep-Web-Analysen für große Unternehmen spezialisiert hat. Netbreeze bietet seinen Kunden eine interaktive Web-Plattform, die Auswertungen in Bezug auf das Markenimage, die Kommunikationseffizienz sowie kundenspezifische Brennpunkt- und Krisenthemen ermöglicht. Dabei werden die Zielräume der Analysen auf konkrete Auftragsunternehmen abgestimmt. Die meisten anderen Anbieter gehen im Rahmen des Digital-Brand-Monitorings wesentlich standardisierter vor.
Die Deutsche Telekom AG hat jüngst in den jungen Münchner Anbieter myON-ID Media (www.myonid.de) investiert. Dieses Unternehmen hat sich auf Personal-Branding spezialisiert und bietet Social-Media-Monitoring und Social-Media-Marketing auch für private User an. So können myON-ID-Nutzer ihre Google-Präsenz stärken und ihre Online-Identität kontrollieren. In Teilen ist die Software des Anbieters kostenlos nutzbar, andere Elemente kosten Nutzungsgebühren.
Es gibt inzwischen eine ganze Anzahl frei verfügbarer kommerzieller Lösungen, die von Unternehmen oder Agenturen für ein professionelles Online-Monitoring und Reputationsanalysen eingesetzt werden können. Zu den bekanntesten zählt sicherlich Radian6 (www.radian6.com). Radian6 ist eine Mega-Maschine, die nicht nur das Monitoring übernimmt, sondern auch definierte Workflows für die komplette Organisation der Kundenkommunikation über alle Social-Media-Kanäle hinweg bereitstellt. Neben der Website-Analyse lassen sich also auch eigene Online- und Direktmarketing-Kampagnen aussteuern und deren Auswirkungen zeitnah erfassen. Damit gewinnen Unternehmen einen optimalen Überblick über alle Online-Kommunikationen in Bezug auf ihre Marke und können diese gezielt steuern.
Ein wunderbares professionelles Tool-Set für erfahrene Reputationsanalytiker ist PeopleBrowsr (www.peoplebrowsr.com). Mit PeopleBrowsr lassen sich Marken, Personen, Themen und ganze Branchen analysieren: Wie bekannt sind Marken? Wer spricht über welche Branchen? Wer bevorzugt den Wettbewerb? Welche Themen bestimmen die Diskussion? Welche Themen sind im Kommen?
Eine Alternative ist Trackur (www.trackur.com), eine mandantenfähige komfortable Suchmaschine für soziale Medien. Sie erlaubt zum Beispiel Agenturen, einfache, aber professionelle Monitoring-Dienste für ihre Kunden anzubieten. Eine Reihe von Standardreports ist bereits angelegt und kann mit eigenem Corporate Design individualisiert werden.
Ebenfalls an Agenturen richtet sich das Angebot von Scoutlabs (www.scoutlabs.com). Es analysiert die Meinungen, die sich in Videos, Blogs oder Bildern ausdrücken, und bietet eine Reihe von Reporting-Werkzeugen.
Kommerzielle Reputationswächter
Etwa ein Dutzend Firmen hat sich in Deutschland heute darauf spezialisiert, unliebsame Inhalte im Internet im Kundenauftrag zu vernichten oder durch positive Inhalte zu verdrängen. Unternehmen wie der Datenwachschutz (www.datenwachschutz.de) oder My-Image-Control (www.myimagecontrol.com) beobachten nicht nur das Aufkommen negativer Berichte im Internet, sondern kümmern sich auch um die Löschung solcher Inhalte. Neben einer Monatspauschale werden dabei in der Regel noch „Löschpauschalen“ in Höhe von rund 20 Euro pro Fundstelle fällig. Die Einsatzfälle reichen von der ehemals rechtsradikalen Unternehmerin aus Ostdeutschland, die heute um Seriosität bemüht ist und ihre Vergangenheit verschwinden lassen möchte, bis zum Beamten, dessen Bordell-Besuch im Internet dokumentiert wurde. Das Internet vergisst nie – es sei denn, die Reputationswächter erreichen mit moralischem oder auch mal juristischem Druck eine Löschung. Dass dies eine Tätigkeit ist, die Fingerspitzengefühl erfordert und durchaus auch für den Auftraggeber gefährlich ist, haben Fälle wie der Fall Nestlé hinreichend gezeigt.
Exkurs: Vom wertigen Finden durch richtiges Suchen
Alle Werkzeuge zum Online-Monitoring leben davon, dass man seine Fundstellen vernünftig zahlenmäßig begrenzen kann, ohne korrekte Treffer zu verlieren. Egal, ob kostenlose Tools oder teure kommerzielle Lösungen: Ihre Relevanz hängt im Wesentlichen nicht nur vom Such-Algorithmus ab, sondern von einer schlauen Suche, also davon, dass die Suchbegriffe optimal gewählt wurden. Die Zeitschrift iBusiness stellte im Juli 2010 sechs Tipps für richtiges Suchen zusammen, die ich im Folgenden gekürzt zitieren möchte (Quelle: www.ibusiness.de/members/aktuell/db/156456jg.html):
Ergänzende Begriffe hinzufügen
Ergänzende Begriffe, die die Bedeutung des eigentlichen Keywords verdeutlichen und hervorheben, sollten mit übernommen werden. Gerade bei Unternehmens- und Produktnamen kann so eine Verwechslung und damit das Ausgeben nicht relevanter Ergebnisse verhindert werden. So führt die Eingabe von „Otto“ zu zahlreichen Fundstellen von Otto-Versand bis zu Otto Rehhagel. Ein kombinierter Suchausdruck wie „Otto + Versand“ oder „Otto + Shop“ wird hilfreich sein.
Slogans abfragen
Slogans und Claims gehören zu vielen Marken genauso dazu wie der Firmenname, müssen also dementsprechend beobachtet werden. Aber nicht jeder Slogan eignet sich zum Monitoring. Testet man den Slogan „Haribo macht Kinder froh“ in einem Monitoring-Tool, kommen überwiegend Ergebnisse, die mit dem Unternehmen in Verbindung stehen. Man findet aber auch „Sex ist wie HARIBO – macht Kinder froh und Erwachsene ebenso". Das sollte HARIBO mal im Auge behalten. So etwas verbreitet sich im Netz sehr schnell.
Tippfehler
Klingt banal, ist aber durchaus wichtig. Markennamen wie „Peugeot" werden häufig falsch geschrieben. Bei „Peugot" bekommt man unter anderem ein 3-minütiges YouTube-Video angezeigt, in dem über das „sexistische" Abendprogramm beim internationalen „Peugot"-Treffen berichtet wird.
Mitarbeiter, CEOs, Pressesprecher und Co.
Jeder einzelne Mitarbeiter kann das Markenbild beeinflussen. Ab einer gewissen Firmengröße muss neben der Marke auch das Auftreten von Führungskräften und Pressesprechern analysiert werden. Bei häufig verbreiteten Namen muss der Name mit Begriffen kombiniert werden, die die Person entsprechend individualisieren wie zum Beispiel der Name des Unternehmens oder die genaue Position.
Gezielt nach negativen Inhalten suchen
Social-Media-Monitoring ist eine wunderbare Möglichkeit für Unternehmen, sich über Gerüchte und negative Meinungen, die über sie im Umlauf sind, zu informieren und dann entsprechend zu reagieren. Man kann das Monitoring gezielt mit negativ belegten Begriffen erweitern wie „Ärger Telekom" und ähnliche.
Konkurrenz mit einbeziehen
Social-Media-Monitoring kann man natürlich auch nutzen, um zu sehen, wie die Konkurrenz sich in den sozialen Netzwerken präsentiert. Interessanter ist es aber auszuwerten, wie das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz dasteht. Ein passendes Beispiel hierfür sind Apples iPhone und Googles Nexus One.
Erst kommt das Krisenmanagement, dann die Krise
Bislang ging es überwiegend darum, wie man negative Berichte und Äußerungen im sozialen Internet zuverlässig findet und was man alles falsch machen kann, wenn solche Berichte bereits in der Welt sind. Dabei beginnt Reputationsmanagement natürlich schon erheblich früher. Sinn des Reputationsmanagements ist es ja, dass solche Berichte erst gar nicht entstehen. Deshalb geht es eben nicht nur um Monitoring, sondern
- um das Beherrschen der Klaviatur der sozialen Medien,
- um die Beziehungspflege zu den Meinungsführern in den sozialen Medien,
- um den gezielten Aufbau positiver Images.
Dabei müssen stets alle verantwortlichen Mitarbeiter und Manager eines Unternehmens „mitgenommen“ werden. Das blinde Starten hektischer eigener Aktivitäten im Social Web ist eher schädlich. Man muss nicht gleich einen eigenen Blog starten. Vielfach ist es sinnvoller, erst einmal zuzuhören, wie diese Medien „ticken“, von „Bloggern zu lernen“, Twitterati zu „verstehen“, die Tools zu beherrschen und seine eigenen Ziele in Ruhe zu definieren. Deshalb verfolgen wir bei der Agentur vibrio einen Zehn-Stufen-Plan, in dem wir Unternehmen in die Welt der sozialen Medien „mitnehmen“ wollen:
- Zukunftsoptionen der Marken sichern
- Interne Bestandsaufnahme und Definition von Social Media Guidelines
- Definition der subjektiv wichtigsten sozialen Netze, Medien und Opinion Leader
- Aufbau eines Reputation-Monitorings
- Definition eines Krisenreaktionsplans
- Kontakte zu Opinion Leadern etablieren und stärken
- Vertrieb 2.0 realisieren
- Enkulturation zum Enterprise 2.0: Wiki und Blog
- Kommentierung in unabhängigen Blogs und Communities
- Etablierung von Corporate Blog, Corporate Twitter und Corporate Communities in Xing, LinkedIn und Facebook
1. Zukunftsoptionen und Marken sichern
Ein Unternehmen, das beschließt, sich erstmals um soziale Medien zu kümmern, muss im ersten Schritt seine Marke in diesen Medien schützen, also in allen relevanten Medien die optimale Adresse besetzen. Die eigene Marke und am besten noch einige naheliegende „Fehlschreibungen“ müssen als Adressen, Channel oder Account in mindestens den folgenden Medien eingetragen werden:
- Flickr
- Metacafe
- Naymz
- Scribd
- Slideshare
- YouTube
Unternehmen sollten als Adresse ihren Markennamen verwenden, Personen immer eine Kombination aus komplett ausgeschriebenen Vor- und Nachnamen. Der erste Schritt auf dem Weg zur Kommunikation 2.0 ist also das Anlegen und Pflegen von Firmen- beziehungsweise Personenprofilen in diesen Medien. Bei XING sollte unbedingt auch ein Unternehmensprofil aktiv gepflegt werden. „Firmen-Updates" und „Abonnenten" lassen sich – ähnlich wie von Facebook-Fanseiten bekannt – dazu nutzen, mit Kunden, Mitarbeitern und anderen Interessenten durch Status-Updates und kleinere Beiträge zu kommunizieren. Erweiterte Optionen wie das Einbinden eines Logos sind bei XING allerdings nicht kostenlos möglich.
Wenn die Personen- und Unternehmensprofile auf die eigene Website verweisen, unterstützt man zugleich die Suchmaschinenoptimierung des eigenen Web-Auftritts.
Daneben ist ein Eintrag in der Wikipedia anzustreben. Dies sollte aber in jedem Fall „offen“ erfolgen, also keinesfalls verdeckt durch einen Mitarbeiter oder externen Dienstleister.
2. Interne Bestandsaufnahme und Definition von Social Media Guidelines
Im zweiten Schritt sollten Unternehmen erfassen, welche Kompetenzen zum Thema Social Media bereits im Unternehmen schlummern. In den meisten Fällen gibt es bereits Mitarbeiter, die privat in diversen Blogs und Foren aktiv sind oder die über beste Kontakte zu Twitterati verfügen und selbst eifrig twittern. Mit diesen Mitarbeitern sollte eine kleine interne „Unkonferenz“ – ein interner Twittwoch oder ein WebMonday – organisiert werden. Von diesen Mitarbeitern kann man erstens lernen und zweitens kann man sie als Evangelisten der eigenen Marke im Netz einsetzen.
Hierfür ist es unbedingt notwendig, Social Media Guidelines zu verabschieden. Diese Guidelines müssen vorgeben, was Mitarbeiter dürfen und wie sie in der Öffentlichkeit auftreten sollen. Sie definieren das Selbstverständnis des Unternehmens im sozialen Netz, prägen die eigene Online-Kultur und verpflichten alle Mitarbeiter zur Einhaltung der Netiquette.
3. Definition der subjektiv wichtigsten sozialen Netze, Medien und Opinion Leader
Über geeignete Monitoring-Tools (siehe oben) müssen die relevanten Themen und Influencer analysiert werden. Blogger kann man aber nicht wie Journalisten über Serien-Mailings beziehungsweise Pressemeldungen adressieren. Das Grundprinzip sozialer Netze lautet ja, dass man gefunden wird, nicht dass man aktiv sendet. Blogger wollen die Marke „finden“, nicht von ihr beworben werden. Aber natürlich können Opinion Leader in sozialen Netzen auch aktiv angesprochen werden. Nur erfordert dies eine individuelle Ansprache. Man muss schon die Themen eines Bloggers oder Twitterati kennen, ehe man mit ihm in Kontakt tritt. Ein Mailing „an alle“ erzeugt schnell die erste Reputationskatastrophe.
4. Aufbau eines Reputation-Monitorings
Über geeignete Monitoring Tools müssen die identifizierten sozialen Netze und Opinion Leader anschließend regelmäßig analysiert werden (siehe oben). Dabei reicht es nicht, die Kritik zu erfassen, sie muss zugleich interpretiert werden. Die Kollegen von Mashable (http://mashable.com) haben hierfür ein einfaches viergliedriges Kategoriensystem vorgeschlagen, in das alle Meldungen einsortiert werden sollten.
a) Wirkliche Probleme
Ein Kunde oder User hat ein konkretes Problem mit dem Produkt oder dem Service eines Unternehmens. Ein solcher Hinweis sollte unmittelbar in einen Verbesserungsvorschlag für das eigene Unternehmen münden.
b) Konstruktive Kritik
Hier kommt der Verbesserungsvorschlag direkt vom User. Das Online-Monitoring dient in diesem Fall unmittelbar der eigenen Performance-Optimierung. Mindestens muss der Vorschlag überprüft werden.
c) Begründete Attacke
Hier wird es schon komplizierter: Während die Attacke selbst keine Begründung hat, ist das dahinter liegende Problem sehr wohl begründet. Das getroffene Unternehmen muss sich also fragen: Was kann ich tun, damit es zu solchen Attacken nicht mehr kommt? Kann ich mich ändern, um das Problem abzustellen?
d) Trolling oder Spam
Beim Trolling handelt es sich um Attacken, denen kein konkretes Problem zugrunde liegt und die somit jeglicher Begründung entbehren. Spammer wiederum sind all jene User, die negatives Feedback zu einem Unternehmen geben, um damit die Produkte oder Leistungen eines Mitbewerbers zu promoten. In beiden Fällen bedarf es komplexer Gegenstrategien, Lösungen, die niemals einvernehmlich mit den Kritikern realisiert werden können.
Exkurs: Reputationskatastrophen als Ergebnis krimineller Machenschaften
Reputationskatastrophen sind aber immer häufiger nicht das Resultat kritischer Kommentare auf sozialen Netzwerken, sondern das direkte Ergebnis krimineller Machenschaften. So haben vor einigen Monaten Unbekannte unter dem Pseudonym eines Serienkillers eine Facebook-Fanseite im Namen von Graham Cluley, Senior Technology Consultant des IT- und Datensicherheitsunternehmens Sophos, erstellt. Was zunächst als Scherz erscheint, kann im digitalen Zeitalter schnell unangenehme Folgen haben. Über diese Fanseite kann der kriminelle Urheber die Kontakte für die Verbreitung von Spam oder gar Links zu Seiten mit Schadcode verwenden, ganz abgesehen von der Veröffentlichung anstößiger oder diffamierender Inhalte, die die Reputation des Opfers beschädigen. Sophos verfügt zwar über ein funktionierendes Online-Monitoring und hat das Kidnapping der virtuellen Identität seines Mitarbeiters schnell bemerkt. Doch hat Facebook mehr als zwei Wochen nicht auf die Beschwerde von Cluley reagiert. Man sieht: Wenn die Betreiber der sozialen Netze nicht mitmachen, steigt das Risikopotenzial erheblich.
Auch Twitter ist für kriminellen Identitätsdiebstahl anfällig. Das mussten im vergangenen Jahr 33 Prominente erleben, deren Twitter-Accounts von Unbekannten übernommen worden waren. Zu den Opfern gehörte Barack Obama. Seine Follower wunderten sich darüber, dass der Präsident plötzlich eine Benzin-Kundenkarte bewarb.
Sogenannte „Phisher" sprechen gezielt Twitterer an, um an deren Login-Daten zu gelangen. Dazu senden sie den Microbloggern direkte Nachrichten mit fragwürdigen Inhalten und Links auf Phishing-Seiten, auf denen Passwörter oder andere persönliche Daten „abgefischt" werden. Wer seine Reputation sichern will, besucht fragwürdige Seiten am besten erst gar nicht und folgt auch keinen Entführungsversuchen ihm unbekannter „Fans", „Freunde" oder „Follower".
5. Definition einer Krisenreaktionsplans
Wenn die Reputation gefährdende Kritik erfasst wird, dann braucht es einen „Krisenreaktionsplan“. Dieser legt fest, wer informiert wird und wie reagiert wird. Welche Kritik muss an welche Abteilung weitergeleitet werden? Wann ist die Geschäftsführung zu involvieren? Welche Risiken ergeben sich? Eine Schadenspotenzialanalyse muss Teil des Online-Monitorings sein. Wer darf im Zweifelsfall mit dem Kritiker reden? In jedem Fall muss die Kundenkommunikation durch hierfür geschulte Mitarbeiter erfolgen. Und vor jeder Kommunikation muss das Ziel definiert sein: Will und kann man die Kritik konstruktiv aufnehmen oder soll sich der Kritiker „trollen“?
Ein sehr gutes Beispiel einer gelungenen und vorbereiteten Krisenreaktion ist eine kleine „Szene 2.0", die ich mit Adobe und deren PR-Agentur erleben durfte: Am 2. Februar dieses Jahres meldete sich auf meinen Anruf statt der Telefonzentrale von Adobe Deutschland eine Telefonansage mit dem Text „Adobe is not availabe now." Nicht weiter dramatisch, aber doch seltsam genug, um diese Erfahrung schnell zu twittern. Nach knapp 30 Minuten erhielt ich über Twitter eine persönliche Botschaft mit dem Angebot, mir bei der Kontaktaufnahme mit Adobe zu helfen. Die Kollegen der von Adobe beauftragten PR-Agentur hatten offensichtlich über ein funktionierendes Twitter-Monitoring von meinem kleinen Tweet erfahren und sofort kompetent reagiert. Und weil man so schön über das soziale Web miteinander ins Gespräch kam, habe ich mich natürlich öffentlich für diesen tollen Service bedankt. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als meinen direkten Wettbewerber zu loben: Genau so funktioniert Kommunikation 2.0!
6. Kontakte zu Opinion Leadern etablieren und stärken
Konstruktive Kritik muss möglichst frühzeitig gehört werden. Und immer wird es hilfreich sein, in den sozialen Medien Freunde und Fürsprecher zu haben. Deshalb müssen die Kontakte zu wichtigen Opinion Leadern nachhaltig auf- und ausgebaut werden. Der Besuch von Blogger-Treffen und Veranstaltungen von Twitterati kann nicht schaden. Auch hier gibt es wesentliche Unterschiede zum Kontakt mit etablierten Journalisten. Einerseits besitzen Blogger zumeist nicht weniger Kastenbewusstsein als Journalisten. Andererseits haben Blogger auch selten weniger Wissen und Erfahrung als Journalisten. Beide sind gleichermaßen ernst zu nehmen. Aber beide Szenen zeichnen sich durch erheblich unterschiedliche Kulturen aus. Während Journalisten jedes Sponsoring einer Pressekonferenz oder eines Pressezentrums als Versuch, „die unabhängigen Medien zu kaufen“, interpretieren, nehmen Blogger Sponsoring gerne an und fassen dies eher als Wertschätzung auf. Sie bestehen aber darauf, dass ein Sponsor niemals das Programm einer Veranstaltung vorgeben darf. Ein Sponsor darf Vorschläge machen, aber der Blogger entscheidet, ob diese dann auch diskutiert werden. Blogger stimmen ab, Journalisten gehen einfach weg, wenn sie etwas nicht interessiert. Blogger applaudieren, wenn ihnen ein Statement gefällt, Journalisten schreiben höchstens mit. Ein bisschen ist das wie beim Unterschied zwischen Linienfluggästen und Charterfliegern: Die einen klatschen, die anderen nicht; froh sind beide, wenn sie gut gelandet sind!
Das Sponsoring von Blogger- und Twitterati-Events beziehungsweise von Social-Media-Lounges auf Messen ist für Unternehmen eine sehr gute Möglichkeit, mit Opinion Leadern in das Gespräch zu kommen. Man sollte sie nutzen.
So unterschiedlich wie die Kulturen von Bloggern und Journalisten sind die Informationswege. Die Einrichtung von Social-Media-Rooms ist ein wichtiger Beitrag zum aktiven Reputationsmanagement. Social-Media-Rooms unterscheiden sich von Pressezentren durch ihren Angebotscharakter: Neben einer aktuellen Meldung stehen Hinweise und Angebote auf weiterführende Medien, auf Videos, Hörfunk-Spots, eigene und fremde Informationen zu verwandten Themen bereit. Das Ganze ist mehr Storytelling als Information, mehr Multimedia als Text, auch mehr Meinung und Diskurs als Generalanzeiger-Stil. Vor allem aber ist es offener als die klassische Pressearbeit. In sozialen Medien zitiert man sich – auch den Wettbewerber, wenn es Sinn macht. Informationen werden öffentlich gestellt. Auf sozialen Podien wie Scribd und Slideshare werden Vorträge veröffentlicht, die früher als vertraulich eingestuft worden wären. Auf Corporate-Flickr-Accounts werden Bilder aus dem informellen Leben im Unternehmen veröffentlicht – die berühmte Weihnachtsfeier –, die früher bestenfalls in der Mitarbeiterzeitung Platz gefunden hätten. All dies gehört zum modernen Reputationsmanagement. Das Unternehmen wird gläsern – aber es organisiert, was hinter dem Glas zu sehen sein soll!
7. Vertrieb 2.0 realisieren
Geschäftsführungen sind für ein aktives Engagement in sozialen Medien leider nur selten aus kommunikativer Fürsorge zu gewinnen. Hinweise auf die Image-Risiken in sozialen Netzen unterstützt man deshalb am besten durch konstruktive Vorschläge für die Nutzung sozialer Medien für den eigenen Vertrieb. Hierfür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, vom kampagnenorientierten Sondervertrieb über Twitter bis hin zur Etablierung von Kundenkontakten über soziale Netze wie LinkedIn und XING. Eine gute Strategie zur Nutzung bereits etablierter Foren ist auch hier die Übernahme von Sponsorings: Viele Forenbetreiber sind dankbar für jede Unterstützung ihrer oftmals aufreibenden und zumeist ehrenamtlichen Tätigkeit. Ein Angebot zur Kostenübernahme regionaler Mitgliedertreffen eines Forums gegen die Möglichkeit, sich auf einem solchen Event kurz zu präsentieren, hat gute Chancen, angenommen zu werden. Dies ist dann nur einer von vielen Bausteinen einer vorausschauenden Reputationsstrategie.
8. Enkulturation zum Enterprise 2.0: Wiki und Blog
Nachhaltige Reputationsstrategien erfordern die Einbeziehung möglichst vieler Mitarbeiter, denn Mitarbeiter sind die wichtigsten Multiplikatoren der Marke im sozialen Netz. Noch immer aber ist die Bereitschaft zur aktiven Teilhabe an sozialen Netzen häufig nur gering verbreitet. Deshalb ist es für die meisten Unternehmen sinnvoll, die Akzeptanz dieser neuen Kommunikationstechnologien durch eine Implementierung interner Web-2.0-Technologien zu erhöhen. Der Aufbau interner Wikis und interner Blogs kann häufig ein guter Schritt nicht nur zum „Enterprise 2.0" sein, sondern auch zur aktiveren Präsenz der Marke in den sozialen Netzwerken.
9. Kommentierung in unabhängigen Blogs und Communities
Ehe eigene Corporate Blogs und Foren aufgebaut werden, sollte man Erfahrungen durch „Zuhören" und „Mitreden" gewinnen. Reputationsverantwortliche Manager sollten für sich selbst eine Reihe von Netzen definieren, die sie selbst beobachten und an deren Diskussionen sie sich selbst aktiv beteiligen. Pressestellen und Agentur können damit beauftragt werden, spannende Debatten zu recherchieren und die Themenrecherche für Unternehmensverantwortliche zu übernehmen. Regelmäßige Hinweise auf die Möglichkeit, sich durch eigene Kommentare und Beiträge an den Debatten auf Blogs oder in Foren zu beteiligen, erleichtern auch den Managern, die sich aus zeitlichen Gründen selbst nicht in der Lage sehen, das Tagesgespräch in sozialen Medien zu verfolgen, eine Beteiligung. Die Kommentierung sollte aber nicht delegiert werden. Reden kann man von Ghostwritern schreiben lassen, Postings und Kommentare, die unter eigenem Namen erscheinen, müssen aber authentisch sein und vom Manager selbst verfasst werden. Manager, die hierzu nicht bereit sind, sollten dann lieber die aktive Teilnahme an diesen Debatten ihren PR-Verantwortlichen überlassen, die dann eben unter ihrem eigenen Namen - und natürlich immer unter Nennung ihrer Funktion und „Parteilichkeit" – auftreten.
10. Etablierung von Corporate Blog, Corporate Twitter und Corporate Communities in Xing, LinkedIn und Facebook
Erst wenn ein Unternehmen die Kultur der sozialen Netze wirklich verstanden hat und auch selbst lebt, kann zum Aufbau eigener Corporate Blogs und Twitter-Ströme geraten werden. Nichts ist peinlicher, als Corporate Blogs, denen nach einem aufmerksamkeitshaschenden Start schon nach wenigen Wochen oder Monaten die Luft ausgeht. Viele Unternehmen starten ihren Auftritt auf der Bühne sozialer Medien mit der Aussage: „Wir wollen das einmal ausprobieren", oder: „Wir wollen Erfahrungen sammeln." Aber Facebook ist keine Probebühne für Marketing-Experimente. Ohne eine langfristig ausgerichtete Strategie und ohne eine Definition der eigenen Ziele wird sich ein Auftritt schnell negativ auf die eigene Reputation auswirken. Kommunikation 2.0 ist ebenso ernst zu nehmen und ebenso professionell zu betreiben wie die herkömmliche PR-Arbeit und das traditionelle Dialogmarketing. Niemand wäre vor einigen Jahren auf die Idee gekommen, eine Kundenzeitschrift zu etablieren, um zu sehen, wie eine Druckerei funktioniert. Und niemand sollte einen Blog aufbauen, um zu sehen, wie WordPress funktioniert, ob das Spaß macht und ob das alles einer liest.
Die Zukunft: sich selbst zerstörende Dokumente statt zerstörter Existenzen
Der Mensch vergisst, das Netz nie. Datenschützer und Softwareentwickler arbeiten daran, dass sich dies ändert. Viktor Mayer-Schönberger, Direktor des Information and Innovation Policy Research Centre an der National University Singapur, hat der Idee des „digitalen Vergessens“ in seinem Buch „delete. The Virtual of Forgetting in the Digital Age“ einige Aufmerksamkeit verschafft. Er fordert elektronische Dokumente mit Verfallsdatum. Das Datum für die Selbstvernichtung würden solche Dateien in Form von Metadaten implantiert bekommen.
Tatsächlich arbeiten Forscher der Universität von Washington im US-Bundesstaat Seattle seit einiger Zeit an einem digitalen Radiergummi: Sie entwickeln eine Software mit dem Namen „Vanish", übersetzt „verschwinden". Das Programm soll Daten im Netz nach einiger Zeit automatisch löschen. Das Verfallsdatum bestimmt der Nutzer selbst. In Frankreich haben sich Datenschützer zusammengetan, die das Recht auf das „digitale Vergessen" politisch durchsetzen wollen. Zu den Verfechtern dieser Technologie gehört die französische Staatssekretärin für Planung und Entwicklung der digitalen Wirtschaft, Nathalie Kosciusko-Morizet.
Dem Problem, dass im Internet ständig Kopien digitaler Daten erzeugt würden, will Mayer-Schönberger dadurch zuvorkommen, dass auch Links einem Verfallsdatum unterliegen. Schließlich würden ja seit 2007 auch Suchanfragen bereits nach einigen Monaten automatisch gelöscht.
Der digitalen Sterbehilfe gehört – davon bin ich überzeugt – die Zukunft. Bis es so weit ist, kommen reputationsbewusste Manager nicht darum herum, im Umgang mit sozialen Medien eine gewisse Vorsicht walten zu lassen und ihre Mitarbeiter auf diese Vorsicht zu verpflichten – das Online-Monitoring bekommt dann allemal noch genug zu tun!
Die besten Tipps zum sicheren Umgang mit sozialen Medien
Portale wie Facebook, Twitter oder LinkedIn sind aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken. Die folgenden acht Tipps von Sascha Pfeiffer, Principal Security Consultant und Social-Media-Experte bei Sophos Deutschland, helfen Ihnen dabei, sich vor Datenverlusten, Identitätsdiebstahl und Malware-Infektionen zu schützen.
Machen Sie sich mit den Regeln vertraut!
Lesen Sie sich die Unternehmensrichtlinien zum Gebrauch von sozialen Netzwerken aufmerksam.
Nutzen Sie sichere Kennwörter!
Was kann schon von einem Kennwort abhängen? Ihr Leben! Wird Ihr Kennwort geknackt, steht Ihr Leben zum Verkauf. Erstellen Sie daher stets sichere Kennwörter mit mindestens 14 Zeichen, die Groß- und Kleinbuchstaben, Zahlen sowie Symbole umfassen.
Überprüfen Sie die Standardeinstellungen!
Zahlreiche User sind bei sozialen Netzwerken registriert. Überprüfen Sie zunächst immer die Standardeinstellungen der jeweiligen Seite, damit Ihre Daten nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich sind, und geben Sie so wenig persönliche Daten wie möglich preis.
Vorsicht bei Fotos!
Überlegen Sie sich gut, welche Bilder Sie veröffentlichen: Stellen Sie keine allzu unseriösen oder peinlichen Bilder ins Netz, die Ihrem Ruf, dem Ihres Unternehmens oder Ihrer Kunden schaden könnten.
Big Brother is watching you!
Wer soziale Netzwerke als Tagebuch zweckentfremdet, riskiert, dass Familie, Freunde (und Feinde), der eigene Chef und der Rest der Welt alles über ihn in Erfahrung bringen können.
Schützen Sie Ihre Computer!
Ihr Leben ist wertvoll – Ihr Unternehmen auch. Hacker wollen Ihnen und Ihren Daten an den Kragen. Schützen Sie sich: Arbeiten Sie nur auf Computern mit upgedateter Sicherheitssoftware und funktionstüchtiger Firewall.
Schalten Sie Ihr Gehirn ein, bevor Sie klicken!
Klicken Sie nicht einfach auf einen Link, nur weil Sie den Absender kennen – Malware übernimmt mitunter die Kontrolle über Benutzerkonten und versendet automatisch infizierte E-Mails an alle Kontakte im Adressbuch. Wenn Ihnen eine E-Mail suspekt vorkommt, hat das seinen Grund.
Bedrohliche Unbekannte!
Hüten Sie sich vor Spammern, die unaufgefordert Anfragen versenden, um an Ihre Daten zu gelangen. Wenn Sie den Absender nicht kennen, ignorieren Sie solche E-Mails nach Möglichkeit.