1. Der Sachverhalt
Um einordnen zu können, worüber der BGH überhaupt entschieden hat, bedarf es zunächst eines Blickes auf den Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde lag.
Die Klägerin war Künstlerin und veröffentlichte auf ihrer Internetseite einige ihrer Bilder. Ihre Webseite hatte sie zu Beginn durch Aufnahme bestimmter Wortlisten in den Quellcode für den Zugriff von Suchmaschinen optimiert. Die Grafiken, die auf ihrer Webseite zum Abruf bereitstanden, waren mit einem Urheberrechtsvermerk versehen.
Sie entdeckte, dass ihre Bilder bei der „Google-Bildersuche“ in verkleinerter Form als Thumbnails erschienen, und begehrte von Google Unterlassung. Durch die Wiedergabe der Vorschaubilder sah sie ihre Urheberrechte verletzt und klagte gegen den Suchmaschinen-Riesen.
In der Berufungsinstanz gab ihr das OLG Jena Anfang 2008 (Urt. v. 27.02.2008 - Az.: 2 U 319/07) zwar inhaltlich recht, wies ihre Klage aber dennoch ab. Das Gericht stellte damals mit deutlichen Worten fest, dass durch das bloße Onlinestellen von Bildern auf einer Webseite der Homepage-Betreiber Google noch keine Erlaubnis erteile, urheberrechtlich geschützte Bilder als automatische Thumbnails anzuzeigen. Die Einwilligung ergebe sich insbesondere auch nicht daraus, dass es ein Webseiten-Betreiber durch entsprechende Maßnahmen ("robots.txt", ".htaccess") in der Hand habe, die Öffentlichkeit oder Teile der Öffentlichkeit von der Nutzung seiner Webseite auszuschließen. Internationale Standards, z. B. des World Wide Web Consortiums W3C oder des Robots Exclusion Standard Protocols, seien für die rechtliche Beurteilung unverbindlich.
Gleichwohl verneinten die Jenaer Richter einen Anspruch der Künstlerin, denn sie habe rechtsmissbräuchlich gehandelt und somit ihren Unterlassungsanspruch verwirkt. Sie könne nicht einerseits ihre Webseite für Suchmaschinen optimieren, andererseits dann aber beanstanden, wenn diese die Inhalte indizieren würden.
Gegen die Entscheidung legte die Künstlerin Revision beim BGH ein.
2. Das Urteil des BGH
Auch die BGH-Richter gaben Google recht, jedoch mit einer gänzlich anderen juristischen Begründung.
a. Thumbnails sind urheberrechtlich relevant
Die Robenträger erklärten zunächst, dass in der Wiedergabe der Bilder als Thumbnails ein öffentliches Zugänglichmachen zu sehen sei. Dieses stehe grundsätzlich nur dem Rechteinhaber zu. Das heißt, das Erstellen von Thumbnails von Bildern oder Grafiken ist bereits ein urheberrechtlich relevanter Vorgang und darf somit nur vom Urheber oder einem sonstigen Rechteinhaber vorgenommen werden.
b. Kein Zitatrecht
Die BGH-Richter lehnten als Erlaubnis für die Thumbnail-Funktion auch das urheberrechtliche Zitatrecht ab.
Das Zitatrecht, das in § 51 Urheberrechtsgesetz (UrhG) verankert ist, erfasst vom Wortlaut her zunächst nur Werke mit Textinhalten, jedoch keine mit Bildelementen. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass das Zitatrecht auch auf Bildinhalte entsprechende Anwendung findet.
Gleichwohl verneinen die Karlsruher Juristen hier das Zitatrecht. Voraussetzung für ein Zitat ist, dass der Zitierende (hier also Google) die Bilder zur Unterstützung seiner eigenen Erklärungen und Gedanken verwendet. Der BGH hat dies z. B. bei der Fernsehsendung „Kalkhofes Mattscheibe" bejaht, wo Inhalte sarkastisch aufbereitet und karikiert werden. Bei der „Google-Bildersuche“ hingegen konnten die Richter eine solche Verbindung nicht erkennen. Es handle sich vielmehr um ein bloßes technisches Feature, das zur Verfügung gestellt werde. Eigene Gedanken oder Inhalte äußere Google damit nicht.
c. Keine (stillschweigende) Einräumung von Nutzungsrechten
Und dann kommen die Robenträger zum wichtigsten Punkt: Wer eigene Inhalte wie z. B. Bilder online stellt, der räumt Dritten weder ausdrücklich noch stillschweigend ein Nutzungsrecht ein, die Bilder zu verwenden.
Eine klare Absage also an all diejenigen, die bislang argumentiert hatten, durch die bloße Publizierung auf einer Webseite räume der Urheber einem Dritten irgendwie geartete Nutzungsrechte ein.
Somit hatte auch Google von der Künstlerin keinerlei Rechte erworben, sodass die Bildersuche eigentlich rechtswidrig gewesen wäre.
Bis zu diesem Punkt bot die Entscheidung wenig Überraschendes. Vielmehr war die Mehrheit der Juristen von einer solchen Beurteilung im Vorweg ausgegangen.
Exakt an dieser Stelle passiert nun aber das Außergewöhnliche: Durch einen juristischen „Taschenspielertrick“ kehrt der BGH das vorher Gesagte in das genaue Gegenteil um und stuft die Thumbnails als doch nicht urheberrechtswidrig ein.
d. Objektive Einwilligung
Nach Meinung der Juristen soll die Rechtswidrigkeit entfallen, wenn objektiv eine „Einwilligung“ vorliege. Von einer solchen „Einwilligung“ sei dann auszugehen, wenn der jeweilige Rechteinhaber Inhalte ins Internet stellt und keine technischen Vorkehrungen zur Einschränkung durch die nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen trifft.
Bitte, was?
Lieber Leser, Sie können beruhigt sein, wenn Sie diese Argumentation als exakten Widerspruch zu dem vorher Festgestellten empfinden. Sie haben vollkommen recht, es ist das genaue Gegenteil!
Die BGH-Richter legen in ihren Entscheidungsgründen zwar außerordentlich viel Wert auf die Abgrenzung zwischen der stillschweigenden Einräumung von Nutzungsrechten und der objektiven Einwilligung.
Einem juristischen Laien ist diese Differenzierung aber kaum erklärbar, vielmehr wird er sie für bloße Wortklauberei halten. Der BGH erklärt zwar unmissverständlich, dass durch das bloße Onlinestellen von Inhalten der Rechteinhaber keinem Dritten ein Nutzungsrecht gibt, diese Werke ungefragt zu nutzen. Soweit klar, soweit gut.
Dann müsste die Bildersuche doch aber rechtswidrig sein, oder?
Die Antwort ist: Nein! Der BGH macht hier seine „Taschenspielertricks„-Schublade auf und holt den bis dato im Urheberrecht kaum bekannten und relevanten Begriff der „Einwilligung“ hervor. Danach vergibt der Rechteinhaber zwar keine Nutzungsrechte, jedoch liegt objektiv eine Einwilligung vor, die die Rechtswidrigkeit der Bildersuchmaschine entfallen lässt.
Durch die Hintertür - mittels des Instrumentes „Einwilligung“ – erklären die BGH-Richter damit das genaue Gegenteil zu dem, was sie vorher so deutlich abgelehnt hatten: dass nämlich ein Webseitenbetreiber durch die bloße Bereitstellung von Onlineinhalten gerade eben keine Rechteeinräumung erklärt.
3. Reichweite und Bedeutung für den SEO-Bereich
Unklar bleibt, ob der BGH das Instrument der „Einwilligung“ hervorholt, weil die Klägerin ihre Seiten besonders suchmaschinenoptimiert hatte, oder ob die Karlsruher Richter der generellen Ansicht sind, dass diese Einschätzung auf jede Webseite – sei sie suchmaschinenoptimiert oder nicht – anzuwenden ist.
Insbesondere die gerichtliche Aussage, dass von einer solchen Einwilligung dann auszugehen ist, wenn der Rechteinhaber Inhalte ins Internet stellt und keine technischen Vorkehrungen zur Einschränkung durch die nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen trifft, bleibt zweideutig.
Zwar erwähnen die Robenträger im vorderen Teil ihrer Entscheidungsgründe ausdrücklich den Umstand der suchmaschinenoptimierten Seiten. Die darauf folgenden Ausführungen sind jedoch wieder allgemeiner Natur, sodass für den Leser nicht klar wird, ob diese Vorgaben nun generell gelten oder eben nur in den Fällen, wo eine Seite besonders für Suchmaschinen präpariert wurde.
Die Konsequenz dieser unterschiedlichen Interpretation liegt auf der Hand: Die Betreiber von Suchmaschinen und sonstigen Onlinetools werden sich auf eine möglichst extensive Auslegung des Urteils berufen. Sie werden für sich in Anspruch nehmen, dass der von ihnen betriebene Dienst eine im Internet übliche Nutzungshandlung ist und somit fremde Inhalte verwendet werden dürfen.
Die betroffenen Rechteinhaber hingegen werden genau die gegenteilige Ansicht vertreten: dass der Entscheidung ein besonderer Einzelfall zugrunde liegt und diese daher nicht allgemein auf sonstige Internetdienste übertragbar ist.