Content-Leitsysteme zur Engagement-Steigerung in Online-Communities

Frank Fuchs
Frank Fuchs

Frank Fuchs ist Search-Produkt-Marketing-Manager bei Microsoft Deutschland und produktverantwortlich für die Bing-Websuche sowie für Bing Maps in Deutschland. Zudem kümmert er sich um die Optimierung des X-Networks und den Ausbau der Partneraktivitäten. Einen wichtigen Schwerpunkt seiner Arbeit bildet die Kooperation mit dem neu geschaffenen Search Technology Center Europe.
Fuchs sammelte seine Erfahrungen im Suchumfeld bei Yahoo! in München und London sowie bei Lycos Europe, wo er sich um E-Commerce, lokale Suche, Websuche und Communities kümmerte. Weitere berufliche Station war das Produkt-Marketing für Elektrowerkzeuge bei Bosch in Mailand.

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Im letzten Artikel hatte ich einen strategischen Ansatz beschrieben, wie man potenzielle und Stammkunden mittels einer Community und gezielter Methoden zur Engagement-Steigerung an seine Website binden kann. In diesem Teil möchte ich nun beschreiben, wie sich ein solches automatisches System mit überschaubarem Aufwand aufsetzen lässt.

Der erste Artikel behandelte ja verschiedene nötige Konfigurationsmöglichkeiten wie Frequenz der Kontaktaufnahmen in Abhängigkeit vom LifeCycle-Status der Nutzer oder die Art der Incentives. All diese Aspekte fließen in ein Komplettsystem ein.

Heute will ich ganz speziell darauf eingehen, wie man den richtigen Content zur richtigen Zeit zum richtigen User bringt.

Die zentralen Messgrößen für den Erfolg derartiger Maßnahmen sind Verweildauer, Page Views pro Unique User, Click-Through-Rates und Anzahl der Beiträge pro User im Zeitraum des Reports.

Um eine Taktik herauszugreifen, möchte ich das Ganze anhand personalisierter Startseiten für Foren beschreiben. Selbiges lässt sich aber auch einfach via E-Mail-Alerts oder Ähnliches umsetzen.

Um nun aus den Community-Inhalten diejenigen zu identifizieren, welche für einen bestimmten User am relevantesten sind, geht man folgendermaßen vor.

Zunächst erstellt man aus allen Wörtern, die in sämtlichen Posts der Community jemals verwendet wurden, eine Keywordliste bzw. ein Dictionary.

Hierbei ist es sinnvoll, alle Schreibfehler von der Liste zu entfernen. Am besten verwendet man dazu freie Libraries wie z. B. GNU Aspell aspell.net/, ASP Spell Check oder PHP Spell Check-Erweiterungen. Sind die faulen Eier aussortiert, gilt es zu jedem Wort in der Liste einen Count zu erstellen, wie häufig das jeweilige Wort in der Keywordliste auftaucht.

Warum mache ich das?

Das ist im Grunde ganz einfach und schnell erklärt. Die Theorie besagt, je häufiger ein Wort in einem Text vorkommt, desto geringer ist seine Aussagekraft im Hinblick auf den Inhalt bzw. das Thema des Textes. Am oberen Ende dieser Liste tauchen im Deutschen Wörter auf wie der, die, das, in oder und. Diese sind wenig indikativ für den Inhalt. Die Wörter mit sehr geringem Count wie zum Beispiel das Wort „thiogalactopyranosid“ sind dagegen sehr gute Hinweisgeber auf die jeweilige Thematik.

Hat man diesen ersten Baustein erstellt, geht es mit den userbezogenen Profilen weiter. Hier geht man nun so vor, dass pro User eine Keywordliste bzw. ein Dictionary angelegt wird.

Als Basis kann man mit verschiedenen Varianten spielen. Denkbar wäre es, nur die Texte aufzunehmen, die der User selbst erstellt hat. Alternativ kann man auch die kompletten Threads, an denen der User sich aktiv beteiligt hat, verwenden. Erstaunlicherweise haben wir in der Vergangenheit festgestellt, dass sich allein mit den Überschriften/Titeln der Threads schon sehr gute Ergebnisse beim Targeting erzielen lassen.

Hinweis: Eine besondere Stärke dieser Methode ist, dass sie für alle romanischen Sprachen ohne weitere Adaption funktioniert. 

Dieses userbasierte Dictionary gleicht man dann mit dem globalen Community-Dictionary ab, um eine qualitativ hochwertige und aussagekräftige Schnittmenge zu erzeugen.

Zur Schnittmengenbildung ist es sinnvoll, das globale Dictionary zu kürzen. Das bedeutet, man entfernt alle Wörter, die sehr häufig vorkommen. Auch hier ist Testen unerlässlich, aber wenn man die Ergebnisse des globalen Wörterbuchs auf einen Graphen zeichnet, z. B. mithilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms, erkennt man sehr schnell den ungefähren Bereich des Sweetspots und kann mit dem Feintuning beginnen.

Hinweis: Es ist ratsam, die Untergrenze an Inhalten zu testen, die für ein aussagekräftigen User-Dictionary eingehalten werden muss. Als Faustregel gilt, dass 50 Beiträge in der Regel eine gute Untergrenze darstellen.

Wordcount Basis: Die ersten 35 Kapitel des „Hitchhiker’s Guide Through the Galaxy“

Ein Userprofil würde demnach wie folgt aussehen:

Alle Wörter, die sowohl in der globalen Keywordliste bzw. dem globalen Dictionary 1- bis x-mal auftauchen und ebenso in dem User-Dictionary 1- bisx-mal vorkommen, werden in das Userprofil aufgenommen.

Hinweis:
X ist hierbei in der Regel immer einstellig und eher 2 als 9. 
Ein Abgleich würde exemplarisch so aussehen:

Folglich würde man für den User Zaphod folgende Tabelle speichern:

Diese Begriffe werden nun für gezielte Abfragen an die Community-Datenbank verwendet, um Beiträge ohne Antworten oder mit wenig Antworten zu finden, welche die fraglichen Begriffe enthalten und somit eine höhere Relevanz für den User Zaphod haben.

Wir haben Steigerungen von mehr als 70 % der CTR für diese personalisierten Elemente gesehen.

Der hier skizzierte Ansatz lässt sich auf viele weitere Themenbereiche anwenden. So ist er mit kleinen Änderungen zum Beispiel auch im E-Commerce-Bereich einsetzbar.

Selbst unter der Berücksichtigung, dass User-Klickdaten zur Erstellung von Profilen weniger wertig sind als reale aktive User-Beiträge, lässt sich dennoch ein Leitsystem basierend auf dem Klickverhalten erstellen. So lassen sich die Keywords der Thread-Headlines, die ein User gelesen hat, mit in sein User-Profil aufnehmen.

Diese Module lassen sich auch ganz hervorragend auf den Bestätigungsseiten einsetzen, die nach erfolgreichem Post in der Community angezeigt werden.

Da der durchschnittliche Nutzer nach gestellter Frage für ca. 3 bis 5 Minuten auf der Seite verweilt, um auf eine Antwort zu warten, ergeben sich zwei sehr gute Gründe, dieses Content-Leitsystem zu verwenden.

Das System ermöglicht es Ihnen, die Zeit zur ersten Antwort klar zu reduzieren, da es Ihnen hilft sicherzustellen, dass offene Fragen vermehrt von Personen gesehen und beantwortet werden, die sich mit einem bestimmten Thema beschäftigen.

Die personalisierten Vorschläge helfen dabei, das User-Engagement in Wartephasen zu steigern, indem der Nutzer aktiv animiert wird, Fragen zu Themengebieten zu beantworten, in denen er ein Spezialist ist.

Entsprechend könnte dann die Logged-in-Homepage eines sehr beliebten SEO-Forums folgendermaßen aussehen:

Neben den Standardrubriken findet sich idealerweise ein personalisiertes Element wie zum Beispiel „Du bist gefragt“, das auf Basis eines Content-Leitsystems gefüllt wird (siehe Abbildung 4). Das System lässt sich natürlich noch weiter verfeinern. So kann man beispielsweise die Qualität der Nutzerbeiträge mit einem Quality-Score versehen, um ein noch besseres Targeting zu ermöglichen.

Die Beitragslänge sowie die Anzahl von Rechtschreibfehlern oder enthaltene profane Ausdrücke können in diesem Zusammenhang als Metrik herangezogen werden. 

So würde man einem sehr kurzen Beitrag, der zudem noch Rechtschreibfehler enthält, einen eher niedrigen Quality Score zuweisen. Abhängig vom Quality-Score kann man diese Posts dann gegebenenfalls beim Erstellen der Dictionaries unterschiedlich stark berücksichtigen.

Die Erfahrung lehrt:

Sie sollten den Usern eine Opt-out-Möglichkeit bieten. Es kann bei Einführung negative Stimmen aus der Community geben. Gehen Sie pro-aktiv damit um. Informieren Sie gegebenenfalls über geplante Tests und kündigen Sie diese Features mit ausreichender Vorlaufzeit an. Die Anzahl der User, die am Ende diese Features wirklich deaktivieren, ist meiner Erfahrung nach verschwindend gering. Der kommunizierte Unmut von einigen wenigen wird (fast) immer durch das „Voting“ via CTR seitens einer Mehrheit widerlegt.

Ein weiteres Learning möchte ich gerne weitergeben, nämlich dass sich die User-Dictionaries im Laufe der Zeit verhältnismäßig wenig ändern. Ein Nutzer, der sich in der Vergangenheit sehr und fast ausschließlich für Angorakatzen interessierte, findet nur selten plötzlich Gefallen an Labrador Retrievern. Ein dreimonatliches Update der User-Wörterbücher hat sich in der Praxis als vollkommen ausreichend erwiesen.

Fazit

Personalisierte Inhalte in Online-Communities steigern in der Regel das User-Engagement spürbar. Das A und O für hoch performante Content-Leitsysteme ist aber nach wie vor das Testen und Nachbessern. Dieser Aufwand lohnt aber in jedem Fall!