Display Advertising – höhere Konversion durch besseres Targeting

Stefan Fischerländer
Stefan Fischerländer

Stefan Fischerländer ist geschäftsführender Gesellschafter der Passauer Digitalagentur Gipfelstolz. Seit dem Jahr 2000 berät er Kunden mit Fokus auf technisches SEO und ist als Entwickler tätig. Mit seinem Theoriewissen und seiner Praxiserfahrung unterstützt er außerdem das SEO-Tool TermLabs.io als Tech-Evangelist.

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Behavioral Targeting und Predictive Behavioral Targeting, Remarketing oder personalisiertes Retargeting – das Display Advertising schickt sich an, über bessere, relevantere und zielgerichtete Werbung nicht nur eine höhere Markenwahrnehmung zu erzielen, sondern auch für die Performance-Marketer attraktiver zu werden. Doch nicht alle Targeting-Ansätze zielen auf die konversionsorientierten Online-Werber. Im folgenden Artikel möchte ich einen Überblick und eine Bewertung der verschiedenen Targeting-Ansätze aus der Sicht eines Performance-Marketers versuchen.

Wo steht Display Advertising?

Nach wie vor ist laut offiziellen Angaben des Online-Vermarkter-Kreises der größte Block die klassische Online-Werbung mit einem für 2010 geschätzten Volumen von 2,450 Mrd. €, gefolgt von 1,867 Mrd. € für Suchmaschinenwerbung und Affiliate-Marketing mit einem geschätzten Volumen von 339 Millionen €. Allerdings steht Display Advertising unter großem Druck des Marktes. Die Brutto-Netto-Schere ist weiter auseinandergegangen. Laut einer Untersuchung der Hamburger Mediaagentur Scharnhorst Media ist der Netto-TKP für die Online-Vermarkter von 14 € (2008) auf 4 € (2009) gesunken. Ein weiterer klarer Trend – viele große Online-Werbetreibende buchen Ihre Display-Kampagnen nur noch auf Basis von CPC oder CPO. Targeting als Thema dieses Beitrags wird unter verschiedenen Perspektiven diskutiert. Wer sind die Anbieter von Targetinglösungen – Agenturen, Vermarkter oder Spezialagenturen? Wer sind die Zielgruppen und welche Formen des Targetings sind im Fokus der Diskussion.

Targetingansätze

Behavioral Targeting: Beim Behavioral Targeting werden Nutzer auf Basis ihres Surf- und Klickverhaltens in bestimmten Interessengruppen zusammengefasst und bekommen Werbung passend zu ihren Interessen geliefert. Die Platzierung dieser Werbung erfolgt dann zum Beispiel in nicht kontextrelevanten Umfeldern. Auch wenn seitens der Anbieter von Behavioral Targeting von erheblichen Steigerungsraten in Hinsicht auf Kampagnenperformance ausgegangen wird, gibt es Stimmen, die den deutlich erfolgversprechenderen Ansatz in einem umfeldbezogenen Ansatz sehen – ganz davon abgesehen, dass Behavioral Targeting natürlich auch einen Aufschlag bei der Berechnung der TKP zur Folge hat.

Predictive Behavioral Targeting: Beim PBT werden zur Messung des Klickverhaltens zusätzlich soziodemographische Daten aus einem Ausschnitt der Websurfer erhoben, um dann deren Verhalten auf die Gesamtheit der Nutzer mit einem ähnlichen Surfverhalten hochzurechnen. Ziel des Predictive Behavioral Targetings ist es, zusätzlich zur Auslieferung interessenbezogener Werbung in nicht kontextrelevanten Umfeldern auch Kampagnen auszuliefern, die vermutete Interessen beinhalten. Also ganz einfach – auf Basis des Verhaltens wissen wir vom Nutzer, dass er sich für das Thema Auto interessiert, über die durchgeführten Befragungen wird diesem Surfer auch ein Interesse für z. B. herbe, frische Pilsmarken und hochwertige Gesichtskosmetik zugeordnet. Das Ziel des Predictive Behavioral Targetings heißt Online-Werbung auch für die Fast Moving Consumer Goods attraktiv zu machen, die ihre Mediabudgets immer noch stark im Bereich TV und Print investieren. Predictive Behavioral Targeting hat als Zielgruppe nicht die Performance-Marketer, sondern die Unternehmen, für die Branding im Mittelpunkt steht.

Remarketing und Retargeting

Im Retargeting geht es im Unterschied zu Behavioral Targeting oder Predictive Behavioral Targeting darum, Nutzer, die bereits die Webseite eines Anbieters besucht haben, noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt auf einer anderen Website zu kontaktieren. Der Wert des Retargetings ist es, einem Nutzer, der bereits Interesse an einem Produkt hatte, aber keine Transaktion durchführte, noch einmal mit einem relevanten Werbemittel zur Konversion zu „motivieren“.

Der Erfolg des Retargetings beruht auf drei Faktoren:

  • den Nutzer mit seinem Interesse auf der Website des Werbekunden zu erfassen,
  • den Nutzer in einem möglichst großen (vermarkterübergreifenden) Netzwerk wiederzuerkennen,
  • den Nutzer mit einem hochrelevanten Werbemittel zu adressieren und im „zweiten“ Anlauf zu einer Konversion zu bringen.

Valueclick unterscheidet in einem Whitepaper vom November 2008 drei verschiedene Arten des Retargetings:

Creative Retargeting

Creative Retargeting ist ein Ansatz, um Nutzer auf höherpreisigen kontextrelevanten Umfeldern zu identifizieren und auf günstigeren Umfeldern zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu kontaktieren.

Search Retargeting

Der Begriff des Search Retargetings ist nicht neu. Schon seit einiger Zeit bieten Unternehmen, wie 24/7, Chitika oder hier in Deutschland Adconion, Search Retargeting an. Der Ansatz: Nutzer, die über eine Suche auf die Webseite des Werbekunden kommen, erhalten später noch einmal ein optimiertes Display Ad des Werbekunden.

Googelt man nach Search Retargeting, erhält man (fälschlicherweise) einen Eintrag, der sich auf eine Veröffentlichung im Google-Adsense-Blog bezieht. Google beschreibt hier eine erweiterte Möglichkeit, um besseres „Contextual Matching“ zu erzielen. Zum Hintergrund: Google hatte schon in der Vergangenheit den Search Referrer, mit der ein Nutzer auf die Webseite kam, ausgelesen. Auf Basis des Inhalts der Webseite und des Suchbegriffs, mit dem ein Nutzer auf die Seite kam, liefert Google dann die Werbung aus. Neu ist, dass Google den Search Referrer für einige Stunden im Cookie des Nutzers abspeichert und diesen gespeicherten Suchbegriff zusammen mit dem Inhalt einer anderen als Basis für das kontextuelle Matching benutzt 

http://adsense.blogspot.com/2010/02/better-contextual-matching.html

Der Unterschied zwischen den beiden Ansätzen ist folgender: Der Search-Retargeting-Ansatz von zum Beispiel Adconion geht davon aus, dass ein Nutzer über eine Suchkampagne auf der Seite eines Werbekunden war und diese Website ohne Transaktion verließ. Der Nutzer wird dann später über ein grafisches Werbemittel noch einmal „getargeted“, mit dem Ziel, ihn auf die Seite des Werbekunden zurückzubekommen.

Googles Ansatz, wie imAdSense-Blog beschrieben, ist eher eine Optimierung aufseiten des AdSense-Partners. Dieses bessere Contextual Matching kann zum Beispiel sehr gut auf inhaltsleeren Seiten funktionieren, bei denen der Suchbegriff als relevantestes Kriterium zur Auslieferung einer AdSense-Anzeige beiträgt – das ist aber kein Search Retargeting.

Site Retargeting:

Die meistverbreitete Form ist das Site Retargeting, das heißt, ein Nutzer ist über eine Werbekampagne oder auch direkt z. B. auf eine Shoppingseite gekommen, betrachtet einige Produkte, führt aber keine Transaktion aus. Der Nutzer wird über ein Cookie, das er auf der Shoppingseite erhält, später auf einer anderen Webseite identifiziert und erhält dort ein (möglichst) passendes Werbemittel. 

Google launcht Retargeting-Lösung

Innerhalb des Site Retargeting gibt es Unterschiede in der Qualität. Google stellte im März 2009 seine Behavioral-Targeting-Lösung unter dem Namen „Interest Based Ads“ vor und ist derzeit mit seiner eigenen Retargeting-Lösung in einer geschlossenen Beta-Phase. Die Nutzer, die zum Beispiel über die Suche eine Webseite besucht haben, werden über das Content-Netzwerk zu einem späteren Zeitpunkt „retargeted“. Vorteil der Google-Lösung wird sicher sein, das Google mit seinen AdSense-Partnern das wahrscheinlich größte Publisher-Netzwerk in Deutschland besitzt.

Beispiel Retargeting mit Criteo:

Es bleibt abzuwarten, ob die Google-Lösung kompetitiv beispielsweise zur Lösung des französischen Retargeting-Spezialisten Criteo ist. Criteo setzt auf personalisiertes Retargeting, verbunden mit der Auslieferung von individualisierten Bannern (siehe Abbildung 1 und 2). Die ausgelieferte Werbung, die Criteo selber als Produktempfehlungen definiert, berücksichtigt

  • Informationen zu den angesehenen Produkten des Nutzers,
  • Informationen zu Produkten, die sich andere User angeschaut haben, die sich auch „seine“ Produkte angeschaut haben,
  • oder komplementäre Produkte zu denen, die der Nutzer gekauft hat.

Das Criteo-Modell

Der Advertiser zahlt in Abhängigkeit von seiner Branche einen Mindest-CPC von 0,15 €. Criteo selber kauft das Inventar bei den Publishern auf TKP-Basis ein. Kern des Criteo-Ansatzes ist eine eigene „Optimierungsengine“. Nutzern wird dabei eine individuelle Klickwahrscheinlichkeit auf Basis ihres Verhaltens zugeordnet. Die Criteo-Engine optimiert dann die Auslieferung der Banner, gestützt auf die Klickwahrscheinlichkeit des Nutzers und die verhandelten TKP.

Anmerkung: Für Nutzer, die sich nicht „targeten“ lassen wollen, gibt es eine Firefox-Erweiterung, mit der man sich aus den 90 unterschiedlichen Targeting-Netzwerken „ausopten“ kann. Die Erweiterung heißt TACO „Targeted Advertising Cookie Opt-Out“. Auf der Seite http://taco.dubfire.net/ gibt es zudem eine Übersicht mit Links zu allen Targeting-Anbietern. Folgt man dem Tradedoubler-Link, kann man hier zum Beispiel sehr schön sein eigenes Profil sehen.

Mitentscheidend beim Retargeting sind

  • Recency und
  • Frequency

Recency bedeutet, innerhalb welcher Zeit ein Nutzer nach dem Besuch der Shopping-Seite „retargeted“ wird. Ein Nutzer, der beispielsweise Interesse an einer Digitalkamera hat und drei Monate später ein Werbebanner sieht, hatte eine geringere Wahrscheinlich zu konvertieren als ein Nutzer, der nach einem Tag nochmals Kontakt über ein Werbemittel hatte. Somit zählt bei einem Anbieter nicht nur die Technologie, sondern besonders, wie groß sein Publisher-Netzwerk ist.

Frequency ist der zweite wichtige Gesichtspunkt. Bei einer DVD macht wahrscheinlich ein geringes Frequency Cap Sinn, bei einem komplexeren Produkt wie einem Autokauf mit einem längeren Entscheidungszyklus kann ein höheres Frequency Cap sinnvoll sein.

Zielgruppen des Retargetings

Interessant ist Retargeting grundsätzlich für alle Werbekunden, die heute schon aktiv Suchmaschinenwerbung und/oder Affiliate-Werbung machen. Zielgruppen der Lösungsanbieter sind derzeit die großen E-Commerce-Unternehmen, die Top-Reiseseiten und auch Internet-Portale, die ein breites und tiefes Angebotsportfolio besitzen, also zum Beispiel Kleinanzeigenmärkte, Immobilien oder Stellenbörsen.

Retargeting und Performance-Marketing

Retargeting ist Performance-Marketing. Retargeting konkurriert nicht mit Suchmaschinen- oder Affiliate-Marketing, sondern ist eher komplementär zu allen Spielarten des Performance-Marketings zu sehen. Ziel ist es, Nutzer, die sich bereits mit einem Produkt beschäftigt haben, nochmals anzusprechen und in einem zweiten, dritten oder mehrfachen Anlauf zu einer Konversion zu bringen. Entscheidend für den Erfolg einer Retargeting-Kampagne sind, neben der Technologie und dem Netzwerk, Preis und konzeptionelle Kompetenz des Anbieters. Fetchback, ein amerikanischer Retargeting-Anbieter, berichtet von 74 % bis 112 % höheren ROI im Vergleich zu Suchmaschinenwerbung. Wir sind gespannt auf erste deutsche Zahlen.

Ausblick Display Advertising und Targeting

Der IAB-Chef Randall Rothenberg sagte unlängst: „The web has been colonized by the evil aliens of the direct-response planet.” Ich glaube, der Satz ist nicht ganz richtig so. Richtig ist, dass wir durch mehr Technologie und besseres Tracking in der Lage sind, den Wert von Kampagnen deutlich besser zu beurteilen. Graphische Werbung ist kein heiliger Gral der digitalen Markenführung, der nur auf TKP-Basis abgerechnet werden kann. Targeting sollte uns erlauben, Nutzern bessere und relevantere Werbung auszuliefern. Die Konsequenz sind bessere Klick- und Konversionsraten und damit höhere eCPM. Als Ausblick für die nächsten Jahre sehe ich im Bereich des Display Advertisings drei Trends:

  • Vermarkterübergreifender und auktionsbasierter Einkauf von Medialeistung mit dem Ziel der Optimierung der (nachhaltigen) Konversionen und Markenwahrnehmung
  • Dynamische Optimierung der Werbemittel und der Umfelder – Forrester nennt das in einer Studie vom Februar 2010 Dynamic Media Optimization (DBO)
  • Relevantere Online-Werbung durch verbessertes Targeting – in der Hoffnung auf einen Qualitätsfaktor bei graphischer Werbung