Phase 1 hat das Ziel, Probleme bei der Nutzung der Webseite aus Nutzersicht zu erkennen. Denn oft sind sich Shop-Betreiber keinesfalls der Schwachstellen in ihrem Shop bewusst. Hierbei hilft es, Kundenzufriedenheitsmessungen durch Online-Fragebögen im Shop durchzuführen oder vom Nutzer übermitteltes Feedback zu analysieren. Oft werden hier schon die sog. Flaschenhälse der Konversionsverhinderung sichtbar. Das zentrale Kernthema bei der Suche nach Optimierungspotenzialen im Online-Shop ist jedoch die Analyse von Web-Analytics-Reports. Durch die intelligente Erstellung von Konversionstrichtern (Conversion Funnels) im Web-Analytics-Tool lässt sich relativ schnell ermitteln, wo die Optimierungsarbeit starten soll. Ein weiterer Vorteil: Auf Basis der Daten kann abgeschätzt werden, was eine Optimierung wert ist (wenn die CVR um X % gesteigert werden kann, dann spült dies Y EUR Mehrumsatz in die Kassen) – ein unglaublich wichtiges Zahlenmaterial bei der Freigabe von Budgets, denn die Währung Mehrumsatz versteht auch der Chef sehr gut!
Phase 2 des Kreislaufs beschäftigt sich mit der Generierung von Lösungsideen für das in Phase 1 ermittelte Problem. Hierbei erweist es sich als hilfreich, wenn neben einer Wettbewerbsanalyse auch die Anforderungen und Bedürfnisse der betroffenen Fachbereiche durch Mitarbeiterworkshops mit eingeholt werden, denn nur wenn alle Projektbeteiligten am gleichen Strang ziehen, lässt sich ein solches Projekt erfolgreich durchführen. Am Ende diese Phase steht ein umfassender Ideenkatalog als Meilenstein, der die Grundlage der nächsten Phase darstellt.
Phase 3 widmet sich der Bewertung der Lösungsideen aus Kundensicht. Durch eine intelligente Nutzung von Online-Befragungssystemen werden die gesammelten Lösungsideen in eine Rangfolge aus Nutzersicht gebracht. Man unterscheidet hier zwischen Onsite- und Panel-Befragungen. Onsite-Befragungen werden direkt auf der Webseite des Betreibers platziert (Achtung: der Nutzer darf nicht in seinem eigentlichen Besuchsgrund behindert werden!). Panel-Befragungen rekrutieren die Teilnehmer dagegen aus einem großen Datenbestand an registrierten Nutzern, die individuell und anhand demografischer Merkmale repräsentativ für die Nutzerschaft der eigenen Webseite ausgewählt werden können. Dies hat den Vorteil, dass auch Nutzer erreicht werden können, die aktuell noch nicht die Webseite besuchen, zukünftig jedoch angesprochen werden sollen. Am Ende dieser Phase werden die erfolgversprechendsten Ideen in Prototypen überführt.
In Phase 4 werden dem Nutzer erstmalig optimierte Seitengestaltungen in Form bedienbarer Klick-Dummys zur Verfügung gestellt. Hierzu werden Nutzer (wichtig: repräsentativ für die Nutzerschaft) in einer Laborsituation mit konkreten Aufgabenstellungen hinsichtlich der Bedienbarkeit der Seite konfrontiert. Es können hier auch Instrumente des Neuromarketings eingesetzt werden, welche die Wirkung der Seitengestaltung auf kaufentscheidende Bereiche des Gehirns offenlegen und im Unterbewusstsein die Kaufentscheidung des Nutzers beeinflussen (vgl. Limbic Map, Häusel). Als Krönung steht zum Ende dieser Phase ein abschließender A/B- oder multivariater Test, der die ursprüngliche mit der neuen Seitengestaltung im Livebetrieb vergleicht. Somit kann am Ende genau festgestellt werden, wie hoch die Steigerung der CVR tatsächlich ist und welche Umsatzeffekte durch die Veränderung zu erwarten sind – dieser Schritt stellt sozusagen das Zeugnis eines Conversion-Rate-Optimierers dar.
Fazit/Stärken und Schwächen des ganzheitlichen Optimierungsansatzes
Mit Sicherheit ist dieser Prozess nur eine Möglichkeit – viele Wege führen nach Rom. Je nach Projekttyp und Problemstellung ist es auch denkbar, dass gezielt nur Teilschritte des Prozesses ausgeführt werden. Die Hauptsache ist: Der Nutzer darf den Weg begleiten.
Der klassische Conversion-Rate-Optimierer wird anmerken, dass doch eigentlich ein A/B- oder multivariater Test ausreichend ist. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass auch diese Methode ihre Schwächen hat, weil z. B. nur ein kurzer Ausschnitt der Realität abgebildet wird und die langfristige, tiefenpsychologische Wirkung der Seiten außen vor gelassen wird. Weiterhin ist der Aufwand für die Überführung aller Optimierungsideen in ein Test-Design nicht tragbar. Ein iterativer Prozess, der, wie oben dargestellt, frühzeitig gute von schlechten Ideen trennt, ist in der Praxis besser anwendbar.
Der Verfechter der Usability-Norm DIN EN ISO 9241 – also der typische Usability-Papst – wird klarstellen, dass nur seine Methoden echte tief greifende Erkenntnisse bringen. Hier kommt jedoch ein Problem zum Tragen: Man kann seinem Chef unglaublich schlecht verständlich machen kann, dass „mit der neuen Seitengestaltung nun acht von zwölf Probanden zufriedener sind" – die Währung Kundenzufriedenheit kennt der Chef nämlich nicht.
Kleine und mittelständische Unternehmen sehen sich durch diesen ganzheitlichen Optimierungsprozess vielleicht mit hohen Kosten konfrontiert. Doch auch hier verhält es sich so, wie es bereits der Usability-Guru schlechthin, Jakob Nielsen, feststellte: „Ob De-luxe-Usability oder Discount-Usability –- Hauptsache, man unternimmt etwas." Dies lässt sich auch auf das Thema Conversion-Rate-Optimierung übertragen. Webseiten wie surveymonkey.com bieten kostensparend Befragungsinstrumente an. Tests im Labor sind mit einfachen Hausmitteln (leider aber mit Abstrichen) auch intern durchführbar. A/B- bzw. multivariate Tests lassen sich mit dem kostenlos erhältlichen Google Website Optimizer durchführen. Egal, ob man Agenturen mit der Erledigung der Tasks beauftragt (de luxe) oder die Einzelschritte mit den eigenen Bordmitteln durchführt (Discount) – wichtig ist, dass man damit startet! Letztendlich ist es so, dass dies echte Investitionen sind, die sich richtig und dauerhaft lohnen. Der Return on Investment eines solchen Projektes ist in der Regel hervorragend und sollte alle im Unternehmen noch vorhandenen Zweifler überzeugen.
Abschließend ist also der gesunde Methodenmix zwischen qualitativen und quantitativen Methoden der Nutzerforschung ausschlaggebend. Von allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten sollte man – wie ein Chefkoch in der 5-Sterne Küche – die für die Problemstellung am besten geeigneten zur Optimierung heranziehen. Und wer der Meinung ist, dass die Arbeit am Ende des Kreislaufs getan ist, der hat sich getäuscht: Nutzerbedürfnisse ändern sich mit der Zeit. Daher ist es auch dann wieder Kernaufgabe eines Conversion-Rate-Optimierers, das Datenmaterial intensiv zu begutachten. Daher: Starten Sie durch, Conversion-Rate-Optimierung zahlt sich aus!
Lesen Sie in der nächsten Ausgabe, wie Sie dieses Modell auch in Ihrem Unternehmen anwenden können. Anhand der typischen Fragestellungen während der Landing-Page-Optimierung zeige ich Ihnen, wie Sie die Conversion Rate Ihrer Landing Page und somit den ROI Ihrer Google-Adwords-Kampagnen erhöhen können.